Sonntag, 28.04.2002

Wirkungsgeschichte. Über einen Satz von Danièle Huillet.

Am Ende seines Studiums an der Filmakademie – die Abschlussarbeit war bereits fertiggestellt – besuchte der Filmstudent ein Seminar, das von Straub/Huillet geleitet wurde. Der Status der beiden Filmemacher innerhalb der filminteressierten Gemeinde reizte ihn dazu, sie mit seiner Abschlussarbeit, einem 15minütigen 35 mm-Kurzfilm, zu konfrontieren. Nur widerwillig folgten Straub/Huillet seinem Wunsch. Er musste sie quasi nötigen, seinen Film anzusehen. Ziel des Unternehmens war natürlich, einen Kommentar oder eine Kritik zu erhalten, mit der man weiterarbeiten konnte. Doch alles, was er den beiden entlockte, war dieser Satz von Danièle Huillet: „Sie arbeiten mit Wirkung.“ So weit die überbrachte Erzählung.
Was wie die kryptische Aufgabe eines erfahrenen Zen-Meisters an seinen Schüler daherkommt, hat mich seither beschäftigt, obwohl ich weder der Student der Erzählung bin, noch überhaupt zugegen war und Straub/Huillet nie als meine Überväter ansah.
Irrt hier ein Gott? – Wenn ich vulgär-etymologisch davon ausgehe, dass „Wirken“ mit dem Verschränken von zumindest zwei unabhängigen Fäden zu tun hat, dann liegt es im Wesen eines zumindest aus zwei Einstellungen bestehenden Films, gewirkt worden zu sein. An seiner Erarbeitung war Wirkung zwangsläufig beteiligt. Film ist schlechthin Wirkung. Doch hielt ich die Aussage nie für eine tautologische Äußerung als vielmehr für offene Kritik.
In dem Bemühen, der Einstellung gerecht zu werden und dem Schock des Schnitts ins Gesicht zu sehen, kommen Straub/Huillet ja nicht umhin, Wirkung zu erzielen. Es muss also etwas anderes gemeint gewesen sein.
Wirkungsgeschichte und Rezeptionsgeschichte werden ja quasi synonym verwandt, und vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man die von Huillet angeführte Wirkung als Rezeptionsorientierung, Suggestion oder Zuschauerbeeinflussung liest. Dem stände eine Objektorientierung bei Straub/Huillet gegenüber. Das gefilmte Objekt gibt den Atem vor, dem es nachzulauschen gilt, damit er zum Atem des Films wird. Da spielt sicher auch die Sache mit der Architektur hinein, die der Film selbst ist oder die er nur ausstellt, wie Christian Petzold weiter unten unter Bezug auf Bitomsky ausführt. Es ist Sitte der Götter, ihren Schöpfungen Atem einzuhauchen. Der Filmemacher hat die Möglichkeit, ihn in den Film hineinzuwirken, wenn er denn der Gefahr entgeht, ihn zu verwirken. Spitzfindig. Kleiner Versuch über Wirkung.

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