Donnerstag, 08.08.2002

„What do you see, when I turn out the light?“

– Blitzlichter auf das Kino und das Leben

Ilse Aichinger, 1921 in Wien geboren und heute dort lebend, schreibt seit vielen Jahren kurze Texte und Glossen für den Wiener „Standard“. In diesen Texten widmet sie sich dem Kino und der Photographie. Um der verfließenden Zeit Einhalt zu gebieten, zugleich aber auch um an ihr teilzuhaben, geht sie ins Kino. Auf Filmregisseure von Fritz Lang bis Jean-Luc Godard, auf Filme vom „Dritten Mann“ bis zu „Allemagne neuf zéro“ wirft sie ganz kurze, beinahe verschwindende Streiflichter. In den Texten und zwischen den Zeilen erscheint dabei trotzdem das Kino als die Höhlenmalerei der Moderne, als das bildgewordene Innenleben unserer Zeit.

Wenn der Krieg beginnt, wenn der Krieg zu Ende ist, das Kino macht weiter.
Kino ist immer, macht immer weiter, nur an Karfreitag haben die Filmtheater spielfrei. Die Filme weisen auf „Lebensarten, Sterbensarten, aber vor allem Kinoarten, Kinoplakate, Kinoeingänge – dorthin, wo man immer hin wollte, ins Herz der Finsternis“.

Ilse Aichinger schweift in ihren kurzen Texten ab, schweift weit ab, nimmt einen Film nie direkt unter die Lupe. Im Gegenteil je indirekter sie sieht und schreibt, um so genauer scheint sie zu werden, dem Atmosphärischen und Ungefähren des Kinos angemessen.

Ihr Leitmotiv bildet eine Zeile aus einem Song der Beatles: „What do you see, when I turn out the light?“ Sie schreibt über diese Zeile: „Das wollen nur die Kleinen wirklich wissen, die anderen fürchten solche Fragen. >When I turn out the light?: Soll das nicht heißen, dass einer fortgeht? Unser Sohn fürchtete schon bald, nachdem er die Augen aufgeschlagen hatte, die Abschiede. Es half nichts ihm zu sagen, dass man immer von jedem für immer Abschied nehmen muss“.

Jeder Kino-Besuch kann zu einem kleinen Abschied werden, zu einem kleinen Gang in das Herz der Finsternis. – Beinahe beiläufig streifen die „Blitzlichter“ von Ilse Aichinger solche direkten und nahen Wahrheiten. Vielleicht kann auch das Schreiben heute nur in einer solchen Beiläufigkeit bestehen. Etwas streifen.

Ilse Aichinger; Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben.
Frankfurt/M. 2001.

(Manfred Bauschulte)

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