März 2011

Mittwoch, 30.03.2011

„Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“

In Darmstadt ist auf der Mathildenhöhe die außergewöhnliche Ausstellung „Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“ zu sehen. Harun Farocki, der den Wilhelm-Loth-Preis 2009 erhielt, hat die damit immer verbundene monografische Ausstellung ausgeschlagen, zugunsten einer thematischen Gruppen-Schau, die Antje Ehmann kuratierte. Videos, Fotografien, Computerspiele, Gemälde, Installationen – etwa von Jean-Luc Godard, Martha Rosler und Wael Shawky – oder anonyme afghanische Kriegsteppiche überbringen, bearbeiten und reflektieren Bilder des Krieges, in den ursprünglichen Medien und in Übersetzungen. Wobei die Arbeiten des Preisträgers sich dann doch als die überzeugendsten erweisen, die neuen wie die alten.

Auf einem Bildschirm kann man (mit Kopfhörern) Farockis legendäres „Nicht löschbares Feuer“ (1968/69) sehen.

Für Durchreisende: Ganz viel Zeit mitbringen.

Institut Mathildenhöhe, Darmstadt, bis 24.Juli

Heaven and Hell

»I am not a believer in heaven or hell, but your channel has definately beem sent to me by a higher power. Bless you my friend – for your channel is pure ecstacy for true lovers of film!!!!«

Ein User des Channels Early Cinema bei YouTube. Massenhaft Filme von Lang, Griffith, Dwan, Kozintsev & Trauberg, Feuillade, Gance usf.

Mittwoch, 23.03.2011

Agee in Austin

L. hatte mich gefragt, ob ich auch Dokumente aus dem Harry Ransom Center sehen wolle, während ich hier in Austin bin. Ich war der Sache nicht weiter nachgegangen, aus Deutschland und Frankreich weiß ich, wie kompliziert es üblicherweise ist, Quellen aus einem Archiv zu bekommen. Anmelden, bezahlen, lange warten, all das. Jetzt denke ich, ich sollte da doch mal vorbeigehen. Bei der Registration werde ich gefragt, „welche Sammlung“ mich interessiert und stehe sofort auf dem Schlauch. Schnell sage ich, dass ich zum Film „The Night of the Hunter“ forsche. Die sehr freundliche Angestellte zeigt mir, wie der Computer funktioniert und wie ich mich durch die Sammlungen klicke um zu prüfen, ob es etwas zu dem Film gibt. Das alles hätte ich auch von Deutschland aus machen können.

Man braucht nicht lange um zu merken, dass hier die tollsten Schätze liegen und sofort einsehbar wären: der gesamte Nachlass von David O. Selznick, der von Gloria Swanson und tausenderlei anderes, vor allem auch von Schriftstellern und Musikern. 2006 hat Robert De Niro seinen Vorlass hierhergegeben, ich könnte mir seinen Taxischein für Taxi Driver angucken. Von De Niro wiederum hat Paul Schrader von dem Archiv erfahren und 2010 seine Sachen nach Austin gebracht. Don DeLillo, Norman Mailer, alle haben ihre Sammlungen dem HRC anvertraut.

Beim Suchen nach „Night of the Hunter“ finde ich heraus, dass es eine „James Agee Collection 1928 to 1969″ gibt. Insgesamt 14 Kisten. Ich lasse mir eine davon kommen, das dauert ca. 30 Minuten. Viele handgeschriebene Sachen, und dann 72 Seiten mit dem Titel „NIGHT OF THE HUNTER, List of superimposing instructions, action description, and English master titles“. Das ist ein blauer Durchschlag, schreibmaschinengeschrieben. Keine Ahnung, warum Agee die Dialogliste und die technischen Instruktionen für die Projektionisten gemacht hat, vielleicht ein Job, um ihm Geld zu verschaffen, wo von seinem telefonbuchdicken Drehbuch ja nichts übrig blieb im Film und Grubb/Laughton binnen kürzester Zeit alles neu schrieben. Immerhin: hier erfahre ich die exakte Länge des Films, blau auf weiß, von Agee höchstpersönlich: „Exhibition Footage: 8296 plus 6 frames. Reels (single): 10. Running time: 92 minutes and 11 seconds.“

Weil noch ein bisschen Zeit ist, schaue ein paar weitere Agee-Manuskripte an: Auf dem „Piece for the NY Times“, in dem er über die Unterschiede zwischen dem Filmkritikersein und dem Scriptwritersein berichtet, ist gleich auf der ersten Seite ein dicker Ring von einer Kaffeetasse. Lang lebe das Klischee! Ich lasse mir noch frühe Briefe von Thomas Pynchon bringen. Er hat mit wenig Zeilenabstand auf kariertem Papier getippt, das sieht einigermaßen idiosynkratisch aus, vielleicht war es aber auch einfach billiger. In einem Brief von 1962 schreibt er: „It seems to me that in these uncertain times the sight of a bright and charming couple sharing all the advantages of togetherness can almost restore ones faith in a just and merciful providence.“

Danach kommt ein Satz darüber, wie fucked up sein Sexleben zurzeit ist.

Montag, 21.03.2011

Zwei Texte aus dem Nachlass von Günter Peter Straschek

Zwei Texte aus dem Nachlass des Filmexilforschers Günter Peter Straschek über Fritz Lang und Lindtberg & Sirk. (Geschrieben im Sommer 2009.)
Sie wurden von Hans Hurch als Teil des Programms „Für Straschek“ bei der Viennale am 30. Oktober 2010 im Stadtkino Wien zusammen mit anderen Texten vorgelesen.
Mit einem Dank an Karin Rausch.

* Fritz Lang

* Lindtberg & Sirk

Sonntag, 20.03.2011

Gelassen atmet der Tag

Ein Hinweis für Berliner und Durchreisende: Am 24. März wird im Ibero-Amerikanischen Institut  der Film „Gelassen atmet der Tag“ von Celia Caturelli gezeigt.

Die Regisseurin wird sich nach der Vorführung mit Inka Bertz und Andrés Nader unterhalten.

Der Protagonist des Films, der 1938 geborene Künstler Pedro Roth, den es von Budapest nach Buenos Aires verschlug und der Holocaust und Militärdiktatur überlebte, wird auch anwesend sein.

Der Titel des Films ist eine geliehene Zeile der jüdischen Dichterin Rose Ausländer, deren Gedichte sich ihren ganz eigenen Ort jenseits von Vertreibung in der Sprache schufen. Ein äußerst passender Titel für diesen Film über einen Mann, der, wie die Regisseurin es ausdrückt, mit „Trauer, Gelassenheit und Güte“ seine Erfahrungen überblickt.

24.März um 19 Uhr, Ibero-Amerikanisches Institut, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin

Samstag, 19.03.2011

Telefon (Zeitkapsel)

Wo beginnt die Stadt wieder, wenn ich jetzt umkehre, dachte sie, als sie an den Rand gekommen war. Es war einer von vielen Rändern, innerhalb der Stadt und stammte von einem der Dörfer, die vor noch nicht so langer Zeit zusammengefasst worden waren.

Sie hatte ihm gesagt, sie sei für einige Tage verreist. Sie wollte ausprobieren wie das war, weil immer nur er wegfuhr. Zuerst hatte es sich auch gut angefühlt, doch dann, als sei sie auch für sich abgetaucht, für länger. Für immer. Sie bekam Angst.

Es war so ruhig hier, der Weg hinaus hatte ihr wieder Klarheit gebracht, so als sei sie wirklich gereist.

Und eine Telefonzelle! Unzerstört!

Sie rief ihn an und gestand ihm, gar nicht weg gewesen zu sein.

Draußen wartete ein kleiner Junge, der ganz plötzlich aufgetaucht war, einen Schlüssel um den Hals.

Er legte sein Ohr gegen die Scheibe.

Sie musste lachen.

„Holst du mich hier ab, ich bin gestrandet.“

Mittwoch, 16.03.2011

Telefon (6)


The Nutty Professor (Jerry Lewis 1963)

Es kostet ihn am Telefon einige Mühe sich bei seinem vergesslichen Vater ins Gedächtnis zu rufen. Das Bonusmaterial der DVD enthält eine ausufernde, völlig rückhaltlose Improvisation dieser Szene.

Jerry Lewis‘ unübertreffliche, zu Herzen gehende Interpretation von „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ wird heute um 21:45 vom BR aus Anlass seines 85. Geburtstages gesendet.

Sonntag, 13.03.2011

Ohne Ziel


Hans Albers mit Versuchsobjekten. Vom Teufel gejagt (Viktor Tourjansky 1950)

Es war ein besonders tiefer Wühltisch, eher ein Käfig als ein Tisch, in dem ich, ohne zu wissen was ich suchte, diesen Fund machte. Eine seltsame, weil deutsche Variation von Stevensons „Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ – das versprach die hässliche Hülle der DVD. Und tatsächlich erzählt dieser Schwarzweißfilm vom Verderben eines Wissenschaftlers.

Mein schlimmster Fehler bestand lediglich in einer gewissen Neigung zu ungestümer Heiterkeit, die für viele Glückseligkeit bedeutet, die ich aber nur schwer in Übereinstimmung bringen konnte mit meinem gebieterischen Verlangen, hocherhobenen Hauptes in der Öffentlichkeit eine ungewöhnlich ernste Miene zur Schau zu stellen. (Robert Louis Stevenson: „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, 1885; übersetzt von Wolfram Benda, dtv)


Nach dem Selbstversuch. Im Regen, im Anzug, in Trance…

Schon oft ist die Geschichte dieser Verwandlung erzählt worden, doch hier ist sie selber ganz verwandelt. So als müsse die schöne weltweite Gültigkeit der englischen Erzählung erst sorgsam in die deutsche Kultur eingepasst werden, so hat sich dieser Dr. Jekyll assimiliert und ist ein Dr. Mabuse geworden. Ihm geht es nicht um die Aufspaltung der menschlichen Doppelnatur, sondern um Konsolidierung eines Unternehmens, Rettung seiner vom Konkurs bedrohten Klinik. Merkwürdig schlüssig ist die Paradoxie, dass der Held seine umnachteten Befehle erst anderen und zuletzt sich selber gibt. Nicht das Unbewusste kommt zu seinem Recht, sondern blinder Gehorsam gedeiht im Weichfeld guter Absichten.

Das Gesicht des Hauptdarstellers ist die Sensation des Films. Vergleichbar mit den unvorstellbaren Sachen die Mitchum in The Night of the Hunter macht, lässt hier Hans Albers seine sympathische Natur entgleiten – ins Glasige und Grausame, ins Finstere und Fiese. Die Tasse, die ihm gleich darauf à la Bresson zu Bruch geht, hat dann beinah beruhigende Wirkung.


Telefon (5)
So sonderbar wie Lil Dagover – seltsame Gräfin und spinnerte Lady – so grotesk ist ihr weißes Telefon. „… das Groteske, das heißt: die Mischung von Erhabenem und Lächerlichem, die allen Menschenwesen eigen ist.“ (Victor Hugo)

Vom Teufel gejagt war der 100. Film des Regisseurs Tourjansky, dessen Filmographie 1912 in Russland als Darsteller und 1914 als Regisseur begann. In unzähligen seiner frühen Filme war Nathalie Kovanko, seine Ehefrau, sein Star, bis ihm 1931 auf der Terrasse des Cafe de la Paix die geheimnisvolle Simone Simon begegnet. Der Exilrusse reiste vielbeschäftigt zwischen Paris und Hollywood (als Victor) und Berlin (als Viktor) hin und her. Erst 1938 entschied er sich ganz für die Arbeit in Deutschland. Man möchte sagen: falsch. Der „Routinier“ war UFA-Regisseur, Bavaria-Regisseur, und man muss wegen des Hetzfilms Feinde (1940) sagen: auch Nazi-Regisseur.

Interessant wäre vielleicht ein Blick auf die 10 Jahre erfolgreiche Arbeit des Duos Emil Burri (Drehbuch) und Tourjansky (Regie und Drehbuch): Eine Frau wie du (1939) Der Gouverneur (1939) Feinde (1940) – alle mit Brigitte Horney. Und die folgenden: Tonelli (1943), Orientexpress (1944), Liebeswirbel / Dreimal Komödie (1944/1949), Der blaue Strohhut (1949) – alle produziert von Georg Witt, dem Ehemann von Lil Dagover. In kleinen Rollen immer mit dabei: der Schauspieler Joseph Offenbach. Ob man beim Anschauen der Filme raten könnte, wann zwischendrin der zweite Weltkrieg endete?
Erst nach Vom Teufel gejagt (1950): plötzlich eine Zäsur – in der Zusammenarbeit. Emil Burri bildete später ein Drehbuch-Gespann mit Johannes Mario Simmel. Georg Witt fand Mitte der 50er ein neues Erfolgsrezept: Filme mit Liselotte Pulver unter der Regie von Kurt Hoffmann. Toujanskys letzter Film, 1962 in Italien gedreht, hat den schönen deutschen Titel: Cleopatra, die nackte Königin vom Nil.


Vom Teufel gejagt

Im ersten Stock seiner Privatklinik hat der Irrenarzt seine Privatwohnung, wie hinter Gittern.
Der Kriminalkommissar (Joseph Offenbach) betritt den Tatort, die Kneipe am Bahndamm, wie ein Gangster. Die Männer an seiner Seite postieren sich wie Bodyguards. Allerlei ist fremd.

„Der deutsche Nachkriegsfilm, von 1945 bis zum Beginn des Neuen Deutschen Films, gehört inzwischen zu den unbekanntesten Epochen der deutschen Filmgeschichte. Das negative Urteil über das Kino der Adenauer-Ära, über dessen Schnulzen, Heimat- und Schlagerfilme, hat auch die interessanten Filme verdrängt.“ Ulrich Kurowski schrieb das im Juli 1985 in epd Film und weckte damit damals Wünsche, die mir nicht alle in Erfüllung gingen. Ungesehen bis heute: Die Mücke (Walter Reisch 1954) und Verzauberter Niederrhein (Willy Zielke 1954).


Hier hatte der Film am 24.10.1950 seine Uraufführung: Hahnentor Lichtspiele, Köln, 1500 Plätze.

In jeder Hinsicht unkonventionell, weil Kurowski vor lauter ungestillter Neugierde auch das Eingeständnis der Wissenslücke nicht scheute, ließ er seinen Text mit einer Bitte an den Leser enden: „Ich suche auch noch Filme: Kronjuwelen (Franz Cap 1950), Das ewige Spiel (Cap 1951), Türme des Schweigens (Bertram 1952), Vom Himmel gefallen (Brahm 1955). Wer etwas über den Verbleib von Kopien dieser Filme weiß, möge dies bitte der Redaktion mitteilen.“

Vom Teufel gejagt hat einen wunderschönen Schluß: Der Affe schaut aus dem Käfig auf seinen Herren herab, dessen Augen im Tod nicht ganz geschlossen sind. Dem Tier und dem Toten ist eine gewisse Lässigkeit gemeinsam.

Samstag, 12.03.2011

Trümmerfilm

In den Eva-Lichtspielen werden montags frühe deutsche Nachkriegsfilme gezeigt, einige klassische „Trümmerfilme“ sind dabei. Die Reihe begann mit dem düsteren „Irgendwo in Berlin“ (1946, von Gerhard Lamprecht), der die zerstörte Stadt aus der Sicht von Kindern zeigt, die in den Ruinen – auch „Krieg“ – spielen.

Am Montag, den 14. März, ist nun ein weiterer nicht so bekannter, aber bemerkenswerter Film dieser Umbruchszeit zu sehen, „Film ohne Titel“( 1947/48) von Rudolf Jugert, mit einer der besten Rollen von Hildegard Knef. Der Film heißt so, weil er beginnt, während er erst noch hergestellt werden muss. Wir sehen nicht nur der Produktion, sondern auch der Bearbeitung der Vorlage zu. Ein Drehbuchautor, ein Schauspieler und ein Regisseur unterhalten sich über den Filmstoff – eine Liebesgeschichte in den Kriegs- und Nachkriegswirren – haben aber völlig konträre Vorstellungen von der Durchführung. Besonders komisch werden die Eitelkeiten des Schauspielers (Willy Fritsch) in Szene gesetzt, der etwa sagt: „Das ist doch keine Rolle für mich! Die Ausgangssituation ist ja ganz dankbar, aber…“ Oder er zeigt, wie er sich die Liebesszene vorstellt und schlägt den märchenhaften Titel „Königskinder“ vor.

Und ganz wunderbar sind die Anspielungen auf andere Trümmerfilme, die als parodistische Gedankenspiele in Bild und Wort auftauchen, um dann doch nicht realisiert zu werden.

(Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Wilmersdorf, montags 15.45. Martin Erlenmeier gibt eine kurze Einführung zu jedem Film.)

Freitag, 11.03.2011

Filme von Thomas und Veit Harlan

11.03. – 02.04.2011
Filmmuseum München

JUD SÜSS – 11.03, 18:30 Uhr (Einführung: Stefan Drößler)
JEW SÜSS – 12.03, 18:30 Uhr
HARLAN – IM SCHATTEN VON JUD SÜSS 13.03, 18:30 Uhr (Zu Gast: Felix Moeller)
WUNDKANAL – 15.03, 21:00 Uhr
VERRAT AN DEUTSCHLAND (DER FALL DR. SORGE) – 18.03, 18:30 Uhr
THOMAS HARLAN – WANDERSPLITTER – 19.03, 18:30 Uhr
VEIT; ICH SELBST UND KEIN ENGEL – 20.03, 17:30 Uhr (Zu Gast: Michael Farin)
UNSTERBLICHE GELIEBTE – 22.03, 21:00 Uhr
ANDERS ALS DU UND ICH (§ 175) – 23.03, 21:00 Uhr
SUNRISE (SONNENAUFGANG) – 25.03, 18:30 Uhr
DIE REISE NACH TILSIT – 26.03, 18:30 Uhr
TORRE BELA – 29.03, 18:30 Uhr
JUD SÜSS – FILM OHNE GEWISSEN – 01.04, 18:30 Uhr
JUD SÜSS – EIN FILM ALS VERBRECHEN? – 02.04, 18:30 Uhr

Dank für den Hinweis an Florian Geierstanger, der die Termine als Kommentar zum vorherigen Eintrag gepostet hat.


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