Montag, 21.04.2014

Filme der Fünfziger XII: Geliebtes Fräulein Doktor (1954)

Ulrich Kurowski hat Hans H. Königs Film „Rosen blühen auf dem Heidegrab“ (1952) zu einem Klassiker des Heimat-Schauer-Melodrams erklärt, aber die wenigsten werden überhaupt irgendeinen Film von König gesehen haben. Der Produzent Richard König war der ältere Bruder des Regisseurs Hans und Hans war mit Edith Mill verheiratet, seiner bevorzugten Schauspielerin. Richard dagegen hatte früher als Mitinhaber der Objectiv-Film Josef von Bakys „Und über uns der Himmel“ (1947) und „Der Ruf“ (1948/49) produziert. „Geliebtes Fräulein Doktor“ sei, so Wikipedia, ein Remake des Jenny Jugo Films „Unser Fräulein Doktor“ von 1940. Das stimmt nicht.

Jungen singen im Gleichschritt in den Bergen ein frohes Lied und spielen am Abend dem Lehrer einen Streich; der Lehrer fällt in einen See und kündigt sofort seine Stelle. Es ist nicht der erste Lehrer, den die Internatsklasse von der Schule getrieben hat. An seine Stelle tritt Frau Doktor Maria Hofer (Edith Mill), frisch aus dem Kloster engagiert. Die Kamera fährt bei ihrer Ankunft den Frauenkörper ab und registriert von der altbackenen Frisur bis zu den Haferlschuhen eine graue Provinzmaus mit einem attraktiven Gesicht. Die Jungen hatten sich eine andere Frau als Lehrerin vorgestellt; Klassenprimus Cicero (Hans Clarin) formuliert Liebesbriefe an das Fräulein, die er mit dem Namen des Sportlehrers Dr. Hans Klinger (Helmut Schmid) signiert. Und jeweils am Ende des Briefes gibt es ein Postscriptum, in dem Cicero/Klinger Maria auffordert, sich doch andere Schuhe, andere Strümpfe, eine andere Frisur und ein anderes Kleid zuzulegen. Jetzt mausert sich das Fräulein zu einer aus einem Modeartikel entsprungenen attraktiven jungen Frau – die Litfass-Reklame für Arwa Nylonstrümpfe gibt den letzten Anstoß. Mit der neuen Kleidung wächst auch die Liebe zum heimlichen Verehrer Dr. Klinger, einem Muskelprotz mit Stroh im Kopf, der natürlich von seinen Liebesbriefen gar nichts weiß. Dass er selbst auch schon verliebt ist, muss ihm Pater Anselmus (Robert Freitag) beibringen. Weil der Geistliche wie alle katholischen Pfarrer den Knabenchor leitet, heißt er auch Pater Tralala. Es kommt zu autosuggestiven Vorfällen. Bei einem Gottesdienst wähnt sich die Lehrerin als Braut vor dem Altar und ruft ganz laut und zur allgemeinen Verwunderung „Ja“. Der Junge Cicero verliebt sich auf Grund seiner Liebesbriefe für eine kurze Unsterblichkeit in das Frl. Doktor, aber natürlich finden die beiden Doktores zueinander, mild belächelt vom Direktor des Internats,  einem weiteren Doktor. Zum Schluss gibt es einen Fackelzug,  bei dem die Jungen die klassischen Zeilen des Eingangsliedes singen: „Keine lange Meile/ macht mir lange Weile/ Nur das eine wünsch ich mir/ dass Du nicht schon längst/ Herz und Hand verschenkt.“

Bis auf die weibliche Hauptperson, die mit einer Klosterszene eingeführt wird, hat keine der Personen ein biographisches Vorleben. Versammelt sind die Lieblingsfiguren des Volksgeschmacks. Die Jungen sind eine „Rasselbande“, der Pater ist sportlich und weltoffen, der Direktor (Hans Nielsen) gütig und streng zugleich und der Sportlehrer selbstredend ein guter Kumpel. Nur „Unser Fräulein Doktor“ braucht noch männliche Einflussnahme, um dem Volksbild die lieblich-moderne Note zu geben. Das Internat hat den Charme eines fünfziger Jahre Reformbaus; es liegt zwar auf dem Land, aber doch auch in der Nähe einer Stadt mit Litfaßsäulen. Und dann auch wieder in der Nähe eines mächtigen Gotteshauses.

Der Film wurde im Garutso-Plastorama-Verfahren gedreht, einer der vielen technischen Erfindungen, mit denen man Anfang der 1950er dem 3-D- und dem Cinemascope-Film die Stirn bieten wollte. Der Schauspieler Helmut Schmid, später Ehemann von Lieselotte Pulver, wurde von König entdeckt und spielt hier seine erste Filmrolle. Ein weiterer Filmdebutant ist Christian Doermer, einer der Jungen aus der „Problemklasse“. Pieter Kunheim, der Sohn von Brigitte Helm, trat das erste und allem Anschein nach auch das letzte Mal vor der Kamera auf. Die Musik schrieb Werner Richard Heymann, die Liedtexte Robert Gilbert – für beide war das eine Brotarbeit. Der Kameramann Kurt Hasse wurde wenige Jahre später mit „Himmel ohne Sterne“ bekannt; ihm assistierte Heinz Pehlke. Wahrscheinlich sind diese beiden dafür verantwortlich, dass eine Sequenz im Klassenzimmer in Erinnerung bleibt. Die Jungen müssen Strafe absitzen und skandieren: „Wenn ich nicht im Karzer säße, fräße ich jetzt Harzer Käse“. Dazu Top-Shot Aufnahmen der Klasse, Großaufnahmen von gegeneinanderschlagenden Schuhsohlen auf einer Schulbank und weit im Hintergrund das Gesicht von Hans Clarin. Für solche exzentrischen Aufnahmen war Garutso-Plastorama gut.

Nicht auf DVD, nicht auf Video.
Atelieraufnahmen in Geiselgasteig vom 20. September bis 12. November 1954
Außenaufnahmen vom 14. bis 26. Oktober 1954

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