Freitag, 24.10.2014

Phoenix II

Ich schließe mich der Begeisterung des vorigen Beitrags an. In Christian Petzolds „Phoenix“ sind die beiden Hauptdarsteller aus dem Vorgängerfilm „Barbara“ zu einem Wiedergängerpaar vereint. Das Zwielicht, in dem der Mann, Ronald Zehrfeld, agiert, ist hier aber extremer. Und Nina Hoss, deren Identität doch uns Zuschauern bekannt ist, spielt unglaublich überzeugend, gleichzeitig unter unserem und dem Blick ihres Mannes. Der sie nicht erkennt oder halb erkennt, nur in Ähnlichkeit mit der Totgeglaubten oder Totgewünschten. Und was er nicht erkennt, was ihn fast bis zum Schluss hindert zu sehen, ist eben auch das, was das Lager, was sein Verrat, was das dem Tod Entronnensein und das Rekonstruiertwerden ihres Gesichtes Nelly genommen haben. „Mich gibt‘ s gar nicht mehr!“ So sagt sie ja selbst.
Was den Film vorantreibt, ist ein Song, für den ich kein besseres Wort als das vieldeutige „haunting“ weiß, der zuerst auf Platte erklingt, später von Nelly gesungen. „Speak low“ Geschrieben von Kurt Weill im Exil, für das Musical „One Touch of Venus“. „Speak low, when you speak love.“ Wie Nina Hoss das singt, während sie sich halb wieder in ihr altes Ich hineinspielt, aber die Stimme sich noch nicht wieder heimisch fühlen kann, bis zu einem trotzigen Beharren auf der Unmöglichkeit.
Selbst in der Hollywood-Version von „One Touch of Venus“ (mit Ava Gardner, Singstimme von Eileen Wilson) klingt der Song unendlich wehmütig. Aber wenn Nelly, die Überlebende „time is a thief“ singt, verwundert es uns gar nicht, dass ihr Mann sie entsetzt wiedererkennt, als die mit dem Bild zur Deckung Gekommene. Ja, die Nummern-Tätowierung ist auch zu sehen, aber so diskret wie sie das Filmbild zeigt, können wir annehmen, dass es die Stimme war, die die Gewissheit brachte und wie sie „love is a spark/ lost in the dark/ too soon, too soon“ singt. Und für Nelly selbst auch!
(Abends nach dem Kinobesuch lief im Jazzradio eine Version von „Speak low“, die wirklich haunting ist, da sparsam zwar, solche Sounds eingesetzt sind, die ein bisschen auf Spuk hindeuten, von Nils Landgren.)

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