Freitag, 12.12.2014

Moral Authority

Yamanaka Sadao macht sich über die überkommenen Ehrbegriffe lustig. Heilige Versprechen werden gebrochen, alte Insignien gefälscht, aufgeblasene Würdenträger sind in Wahrheit krumme Hunde. Das könnte eine konservative Kritik sein, aber sie kommt von unten und erinnert deshalb wie von sehr ferne an Archilochos.

Irgendein Saier hat jetzt an meinem Schild seine Freude. Ich ließ ihn an einem Busch zurück; / tadellos war er gewiss, und ich tat es nicht gern. / Mich selbst aber hab‘ ich gerettet. Was kümmert mich jener Schild?

Es fehlt heute einer, der auf diese Weise David Cameron seine „moral authority“ um die Ohren haut, die doch immer andere (und nicht nur im waterboarding) ausbaden müssen.

Bei Yamanaka fragt ein verkommener Ronin einen stolzen Samurai, dem sein Messerchen gestohlen worden ist und der ob dieser Kastration den alten Regeln zufolge Harakiri begehen müsste: „Wie alt bist du? 53? Dann wird es doch höchste Zeit.“ Am Ende gibt es sowohl in Tange Sazen (1935) als auch in Kôchiyama Sôshun (1936) die western- oder gangsterfilmhafte Wendung, dass diejenigen abgesunkenen, verarmten, versoffenen Leute sich für eine Moral opfern, denen sie stets abgesprochen wird, dieselbe, die sich andere anmaßen, um ihr Ausbeuterregime zu decken. Vielleicht ist es aber gar nicht genau dieselbe Moral, sondern mehr ein menschliches (und deshalb spontanes) Können, das die Oberen behaupten und die Unteren tatsächlich besitzen. In Yamanakas bestem Film Ninjô kami fûsen (1937) wird diese Umkehrung sogar von Anfang an vollzogen. Es könnte sie einer romantisch nennen, ich nenne sie dialektisch.

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