Mittwoch, 01.03.2017

Filme der Fünfziger (XXIX): Rosen für Bettina (1956)

Elisabeth Müller schwebt durch diesen Film als zentrale Figur, an der sich weniger eine Geschichte entwickelt, als dass Konstellationen und Verhältnisse verschoben werden. Das Schicksal schlägt die erfolgreiche Primaballerina Bettina Sanden (Elisabeth Müller) mit einer schweren Krankheit. Gerade noch hat sie ein Engagement an den Broadway abgelehnt, weil Lebensgefährte und Choreograf Kostja (Ivan Desny) nicht mit engagiert wird, da bekommt sie Kinderlähmung. Wird Kostja in dieser Krise zu ihr stehen? Er versucht es ja, aber auch ihn trifft das Schicksal in Gestalt seiner Karriere und einer neuen Primaballerina; das Fleisch ist schwach und das Leben muss weitergehen. Bettina nun liegt im Bett mit dieser zur Zeit der Filmproduktion noch unheilbaren und heimtückischen Krankheit.

Nachdem Dr. Brinkmann (Carl Wery, der kernig-knorrige Hausarzt des deutschen Films) sie untersucht hat, lässt Professor Förster (Willy Birgel) Bettina in sein Privatsanatorium nach Hohentann überstellen. Der Professor ist, das wissen wir aus einer Balletteinlage zu Beginn des Films, ein großer Verehrer von Bettinas Kunst. Die Klinik von Dr. Brinkmann hat den Charme einer Behörde der fünfziger Jahre; helle, durch Glastüren von einander abgesetzte Gänge sieht man aus einem Wartebereich mit Gummibäumen. Durch diese, in milchig-wässriges Laborweiss getönte Endlosigkeit bewegen sich wie Geistererscheinungen konfessionelle Krankenschwestern mit ausladenden Flügelhauben.

Professor Försters Klinik dagegen besteht im Wesentlichen aus einer großen Terrasse, auf der die Kranken in Liegestühlen einen gemalten Alpenprospekt genießen oder mit Gehstock, Sonnenbrille und Bademantel hinter Glastüren ihre Wege ziehen. Der ehemalige Feinmechaniker Herr Kalborn (Hermann Speelmanns) mit der im Krieg gewachsenen lederbezogenen Handprothese hat als Mädchen für alles und guter Geist in Försters Klinik wieder Lebenssinn gefunden. Ein Kind wird gesund und freut sich über eine Puppe zur Belohnung. Im Krankenbett halb hängend, halb sitzend, sieht Bettina im Fernsehen die Premiere „ihrer“ Ballettaufführung von „Bolero“ und bricht zusammen. Gut, dass Professor Förster gleich zur Stelle ist und als erstes den Fernseher mit der schrecklichen Trommelei, der Extra-Qual von Art Blakey ausstellt.
Bettina gratuliert Kostja zu der Inszenierung; „Du hast sie doch gar nicht gesehen“, meint Kostja. „Ich habe die Kritiken gelesen“ antwortet Bettina. Im Kino darf das Fernsehen als öffentliches Medium noch keine Rolle spielen; die Übertragung war eine Privatvorstellung.
Kostja fährt mit der neuen Primaballerina Irene (Eva Kerbler) auf Tournee nach Spanien und trinkt jetzt auch in Deutschland nur noch Sherry statt Wodka. Irene hatte sich schon in Professor Brinkmanns Klinik mit Bettina verständigt und dann mit den gegenüber einer Gelähmten klug gewählten Worten “Ich will sie nicht länger aufhalten“ schnell das Zimmer verlassen.
Fast alles geschieht in öffentlichen Räumen, im Theater, den Krankenhäusern und einem riesigen Restaurant mit einer Empore. Dort residiert der Opernintendant; der Aufgang zur Empore ähnelt einem Boxring. „Machen Sie doch mal die Türen zu“, rufen der Intendant und seine Sekretärin im Theater; die Türen bleiben offen. Es gibt keinen Raum für Wahrheit oder für Intimität, nur Vorgelebtes und Nachgemachtes, Illustrationen, Formeln, Konventionen. In allen Falschaussagen – selbst der Titel „Rosen für Bettina“ ist verfehlt, sie bekommt nur Nelken – scheinen die Defizite, die vergebliche Suche nach einem Sinn durch. Bettina lässt sich von Dr. Förster ein letztes Mal zum Künstlereingang des Theaters fahren, geht auf die Bühne, hört imaginäre Musik und Applaus – aber sie wird nicht hysterisch oder melodramatisch. Es gibt keinen Gefühlsausbruch, sondern nur den Weg zurück, zum Mercedes von Professor Brinkmann, dem väterlichen Arzt und Liebhaber. Bettina lehnt den Kopf an seine Schulter, sagt müde: „Nach Hause“ und zufrieden lächelnd fährt Willy Birgel Elisabeth Müller in das Sanatorium der Liebe.

Drei Dinge sollte ich noch hinzufügen: Elisabeth Müller rollt das „R“  in altfränkischer Theatermanier, vielleicht auch als Relikt ihres schweizer Akzents. In diesen seltenen Momenten bricht die Illusionsmaschine komplett zusammen – so als würde ein Mikrofongalgen in voller Pracht ins Bild ragen. – Henry Koster engagierte Elisabeth Müllers auf Grund von „Bettina“ nach Hollywood für seinen Film „The power and the price“ (1956). Das geplante Engagement für Pabst’ letzten Film „Durch die Wälder, durch die Auen“ (1956) kam deshalb nicht zustande. – Und in der „Film und Frau“ gab es in der Nr. 3, 1956 tatsächlich einen Lifestyle-Artikel „Das Haus ohne Stufen“ über die Wohnung einer Gelähmten.

Nicht als DVD

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