Donnerstag, 22.08.2019

Und dann …

Die Suche nach einem Film, mit dem ein anderer Film kritisiert werden kann, führte zur Wahl der LINKSHÄNDIGEN FRAU. Im Milieu der Kulturbourgeoisie. In einem Vorort von Paris. In einem großen Haus, fast möchte man sagen einer Villa. Wer das Haus putzt, wer es instand hält, bleibt offen. Die Frau trennt sich von ihrem Mann. Geh weg! Und lebt fortan allein. Mit ihrem Sohn. In dem Haus. Sie nimmt ihre Arbeit wieder auf. Übersetzungen Französisch-Deutsch.
An der Wand des Arbeitszimmers eine Reverenz an Ozu: Ein großes Plakat mit seinem Konterfei. Der Bruch der Kontinuität wirft Fragen auf. Nicht nur beim verstörten Ehemann.

    In den nähergelegenen
    Bibliotheken war der Film
    seltsamerweise entliehen.
    Deshalb mit dem Fahrrad von
    Schöneberg nach Prenzlauer
    Berg um 18:00 Uhr im
    Feierabendverkehr. Um 19:00
    Uhr machen sie zu.

Und dann …

… die Schauspieler Edith Clever, Bruno Ganz aber auch Angela Winkler spielen ihre Rollen nicht psychologisch. Sie scheinen sie zu erklären. Wie Darsteller im Kindertheater zuweilen mit Bedacht sprechen, wenn ein komplizierter Gegenstand verhandelt wird. Bernhard Minetti, dessen ungeachtet, lässt seine Sätze bruchlos entströmen, als seien sie ihm just in diesem Moment eingefallen und entsprächen seinem Wesen. Die Rolle des Sympathieknochens. Als Vater kommt er aus Deutschland angereist. Er verortet. Schon auf dem Bahnsteig macht er klar: Ich bin Antifaschist. Das Motto des Films vor dem Abspann

    ... Ja, habt ihr nicht bemerkt,daß
    eigentlich nur Platz ist für den,
    der selbst den Platz mitbringt...
    Vlado Kristl

scheint er sich angeeignet zu haben. Ein gutes Party-Motto.

Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt, Vater. Das ist mir schon als Kind auf die Nerven gegangen. So die Frau.
Das Gehen auf dem Kies ist so tröstlich, darauf er.

Und dann …

… die Umgebung des Hauses, die Vorstadt, ist keineswegs vornehm. Grau verputzte Fassaden, Ödnis, Ausfallstraßen und Bahngleise. Ein Ort der Passage. Er wird durchquert, um in die Stadt zu kommen. Verweilen tut man nicht. Raum aber für ausgedehnte Spaziergänge der Frau. Das Außen, die Natur, ist immer schon gebrauchter Naturstoff und sozialer Raum. Immer.

Die Kameraarbeit gediegen. Der Ausnahme-Kameramann Robby Müller. So Wim Wenders. Viele statische Einstellungen.
Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt …
Eine schäbig digitalisierte Videokopie. Ständige Lichtschwankungen. Das Ausnahmelicht ist auf der DVD nur zu erahnen. Die Beschreibung – schöne Bilder – ist für einen Film vernichtend. Auch und gerade im Film, Medium der Moderne, ist Schönheit vielleicht nur als je schon Gewesenes, als Flüchtiges, zu denken. Was vorbei ist, ist vorbei. Wie war das noch?

Und dann …

… nach mehrmonatiger Ignoranz Suche auf den new-filmkritik-Seiten. Der gemeinte Film wird
hier – wie eigentlich auch erwartet – nicht besprochen. Dafür aber: Volker Pantenburg schreibt über Gerhard Friedls Filme. Was für ein wunderbarer, uneitler Text.

    Die Filme sind in der Amerika-
    Gedenk-Bibliothek sofort zu
    haben. Es ist um Mittag
    herum, die Sonne scheint.
    Auf dem Fahrrad mit der DVD
    in der Tasche. Was für ein
    antiquiertes Verhalten! Gibt es
    bestimmt auf youtube. Genau,
    aber die Qualität ist viel
    schlechter. Eine CD von Bill
    Callahan kommt auch mit ins
    Gepäck. Tut aber nichts zur
    Sache.

Und dann …

… über Jahre verhindert die Verwechslung der Namen von Amerongen und von Bohlen und Halbach die Sichtung des Friedl-Films. Schon bekannt. Denkste! Unbekannt. Noch nie gesehen. Die Schwäche für Klugesche Lakonie-Einflüsterungen findet ihre Fortsetzung in der gesteigerten Nüchternheit von Friedls Kommentaren. Und was sagt das Bild? Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt.

Und dann …

… die Steuererklärung wird ein weiteres Mal verschoben. Der ursprünglich zu besprechende Film ist nicht mehr so wichtig.
Was bleibt?
Überformungswut?

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