Samstag, 27.10.2018

Fluchtweg nach Marseille

„Die Verbindung zu finden zwischen einer Arbeitssituation (1977) und einem Stoff (1941) war zugleich leicht und schwer. Der Schnittpunkt war schnell hergestellt in Gedanken. Die Recherchen, Überlegungen und Empfindungen, diesem gerecht zu werden, um so mehr stolpernd, wenn auch lustvoll. Den Stoff ernst nehmen hieß zuerst sich von ihm abwenden. Sich selber bewegen, eine eigene Wahl treffen. Lektüre als Zitat kennzeichnen, aber nichts mehr.“ (Ingemo Engström / Gerhard Theuring: Fluchtweg nach Marseille, Filmkritik 2/78, S. 68).

Der Film FLUCHTWEG NACH MARSEILLE von Engström/Theuring, im Untertitel als „Bilder aus einem ARBEITSJOURNAL (1977) zu dem Roman TRANSIT (1941) von Anna Seghers“ charakterisiert, wird morgen im Rahmen des FILM RE:STORED-Festivals der „Deutschen Kinemathek“ gezeigt.

28. Oktober 2018, Kino Arsenal

14.00 Uhr

FLUCHTWEG NACH MARSEILLE, Teil 1
ESCAPE ROUTE TO MARSEILLE, Part 1
BRD | FRG 1977, Regie | directed by: Ingemo Engström, Gerhard Theuring DCP, 90 Min., Farbe und s/w | in color and b/w, OmeU | OV with English subtitles

16.00 Uhr

FLUCHTWEG NACH MARSEILLE, Teil 2
ESCAPE ROUTE TO MARSEILLE, Part 2
BRD | FRG 1977, Regie | directed by: Ingemo Engström, Gerhard Theuring DCP, 120 Min., Farbe und s/w | in color and b/w, OmeU | OV with English subtitles

***

Von FLUCHTWEG NACH MARSEILLE handelt auch der erste Text in der Sammlung von „Falter“-Texten Hans Hurchs, die letztes Jahr erschienen ist. Der Artikel ist anlässlich der Vorführung des Films im Österreichischen Filmmuseum am 27. Mai 1978 entstanden. Er beginnt so:

„Dies ist das erste Mal, dass ich versuche, über einen Film zu schreiben, und ich weiß eigentlich nicht so recht, wie ich das machen soll. Eine systematische Filmkritik kann und will ich nicht liefern, denn ich glaube, dass ich so diesem Film nicht gerecht werden kann. Auch nur die Handlung des Films nachzuerzählen wäre zu kompliziert, und eigentlich gibt es auch keine durchgehende Handlung, sondern eher die Rekonstruktion des Fluchtwegs der Vertriebenen aus Nazideutschland in den rettenden Hafen Marseille. Dabei dient das Buch ‚Transit‘ von Anna Seghers als Filmgerüst.“

Und er endet so:

„Und so fing ich an, in diesem Film selbst Bilder zusammenzusetzen und mir meine eigene Geschichte zu erfinden und so meine Produktivität zu befreien. Endlich einmal wurde ich nicht mehr zynisch mit Fertigteilen abgespeist, die mir keine Gelegenheit und Zeit zum Schauen und Denken lassen. Ich fühlte mich einfach auf eine sehr redliche Weise ernstgenommen, als Zuschauer und Mitproduzent des Films, und nicht als Konsument beliebiger Bilder verachtet. Das ist nicht alles von vornherein klar, wie in so vielen anderen (oft auch sogenannten fortschrittlichen) Filmen, wo dem Betrachter jedes Denken im wahrsten Sinne des Wortes abgenommen wird oder wie Engström/Theuring schreiben: ‚Es sind die Blinden, die das Ergebnis im Voraus wissen.‘ Wollte ich anfangen, einzelne Teile zu erzählen, wäre ich schon mitten im Film, aber vielleicht ist jemand neugierig geworden und will das alles selbst sehen.“

[Hans Hurch: Fluchtweg nach Marseille, in : Ders.: Vom Widerschein des Kinos. Texte aus dem Falter 1978–1991, hg. von Claus Philipp, Christian Reder, Armin Thurner, Wien: Falter 2017, S. 13–15: 14f.]

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