Samstag, 11.04.2020

Für EBERHARD:

All die Inspirationen, die von Dir ausgingen! –
all die Anregungen, Eingebungen, Ermutigungen –
Inspirierend zu sein – das charakterisiert Dich vor allem anderen,
wenn die Erinnerung zurück geht in die Hochschul-Zeit, die Studentenzeit,
die frühen Jahre ab 1969 –
Inspiration – schon durch bloße Anwesenheit – ausstrahlend in jede Richtung, jede Sphäre –
Inspiration und Herausforderung und Ermahnung zum Augenöffnen!!!

Wir – die meisten von uns im B-Kurs – kamen aus der PROVINZ nach München:
das heißt wir kamen dort an: naiv und erwartungsvoll und ein wenig aufgeregt und herausgefordert von den 1960er-Revolten:
Studentenrevolte, Mai 68 –
Wir mussten und wollten den Staub der Provinz aus der Kleidung klopfen
Großstadtluft atmen – die frische Luft der Kunst-Avantgarden
München war – wenig erinnert daran heute – der Ausgangsort beim Aufbruch des Neuen Deutschen Films –
Straub/Huillet lebten und arbeiteten hier
Wenders und Fassbinder –
Wenders, der im A-Kurs war –
und Fassbinder, der die HFF-Aufnahmeprüfung nicht schaffte

Du warst Münchner, Eingeborener der Stadt, der einzige richtige Münchner im B-Kurs –
und Du hattest alles aufgesaugt, was da in der Luft lag –
So erschien es uns –
die tägliche Lesung der Feuilletons war Dir selbstverständliches Ritual,
zwei Stunden am Frühstückstisch – bevor der Tag richtig losgehen kann –
Du wusstest Bescheid – über alles und zuerst:
Warum die Dummköpfe über Beuys‘ „Zeige deine Wunde“ stritten –
In welchem Underground-Kino die Dekonstruktion des Narrativen und Ikonographischen am weitesten getrieben wird,
Du wusstest, in welchem Club Pink Floyd spielen würden –
Ja, PINK FLOYD spielten damals in einem Disco-Club (Blow Up glaub ich) –
wir waren dort,
Wenders und Handke auch –
an dem Flipper im Chez Margot, an dem Wenders gern spielte,
musste ich sterben –
für einen Deiner Übungsfilme –
Schuss in den Rücken und finales Darniedersinken auf dem Flipperapparat: TILT!
Ich musste ziemlich oft sterben,
denn die Gummipumpe für das Blut funktionierte nicht richtig –

Inspiration, Herausforderung, Geschmacksbildung, Schärfung der Urteilskraft –
eine Zeit, in der man – Bertolucci erinnert in THE DREAMERS daran –
unbedingt die richtigen Antworten geben musste – um ernst genommen zu werden:
Wer ist größer: Chaplin oder Keaton?
Keaton natürlich!
Wer ist der größere Gitarrist: Clapton oder Hendrix?
Hendrix natürlich!

An die WG-Wände, wo ansonsten noch Teenie-Poster hingen – hängtest Du Warhol-Siebdrucke: Marilyn und die Kuh –
aber die Musik war das Allerwichtigste

Fürs Studium Generale musste man Hausarbeiten schreiben –
dazu hattest du überhaupt keine Lust –
also habe ich für Dich diverse Theorie-Arbeiten geschrieben,
das heißt irgendwo etwas abgeschrieben – copy&paste würde man heute sagen –
zum Beispiel zum Thema: Der Begriff der Masse bei Gustave Le Bon und Ortega Y Gasset
als Honorar erhielt ich von Dir die allerneuesten Platten:
Captain Beefheart, King Crimson, Pink Floyd, Lou Reed…
oder die wunderbaren Hockney-Illustrationen zu 6 Märchen der Gebrüder Grimm –
Bis heute wirksame Inspirationen, Anregungen, wozu auch gehört,
sich mit Schrifttypen zu befassen –
Als Du das Machen der FILMKRITIK übernahmst: Umbruch, Gestaltung, Fotos etc. –
hast Du Dich da eingearbeitet,
und konntest begründen,
warum Garamond der richtige Schrifttypus ist – für die Zeitschrift

Aber das Wichtigste war die Musik –
wir sahen, wie Wenders die Kamera bei Jufos (Matthias Weiß) TEN YEARS AFTER machte
wir holten AMON DÜÜL ins Studio zu einer Übung für TV-Aufzeichnung
Wir veröffentlichten in der FILMKRITIK – unter Oberaufsicht von Helmut Färber –
zusammen einen Text – Rockmusik im Fernsehen –
mit dem uns Färber in die Filmkritiker-Kooperative hineinschleuste –
Übrigens ein Text, der Grundlage und Konzept abgab für den WDR-Rockpalast

Ja, die Musik – sie war Trägerwelle so vieler Inspirationen, kaum zu überschätzen –
deshalb jetzt zum Abschluss ein Zitat aus den 13 Grabinschriften,
die Bob Dylan einst für sich entworfen hat:
hier das allerletzte Epitaph:
„Es gibt einen Film, der heißt – Schießen Sie auf den Pianisten –
In dem der letzte Dialog-Satz verkündet: – Musik, Mann, das ist das einzig Wahre –
Ein Glaubensbekenntnis
Draußen läuteten die Glocken
Und sie läuten noch immer !!“

– Rainer Gansera –

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren. Ein neues Benutzerkonto erhalten Sie von uns, bitte dazu eine Email mit gewünschtem Username an redaktion(at)newfilmkritik.de.


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort