Für EBERHARD:
All die Inspirationen, die von Dir ausgingen! –
all die Anregungen, Eingebungen, Ermutigungen –
Inspirierend zu sein – das charakterisiert Dich vor allem anderen,
wenn die Erinnerung zurück geht in die Hochschul-Zeit, die Studentenzeit,
die frühen Jahre ab 1969 –
Inspiration – schon durch bloße Anwesenheit – ausstrahlend in jede Richtung, jede Sphäre –
Inspiration und Herausforderung und Ermahnung zum Augenöffnen!!!
Wir – die meisten von uns im B-Kurs – kamen aus der PROVINZ nach München:
das heißt wir kamen dort an: naiv und erwartungsvoll und ein wenig aufgeregt und herausgefordert von den 1960er-Revolten:
Studentenrevolte, Mai 68 –
Wir mussten und wollten den Staub der Provinz aus der Kleidung klopfen
Großstadtluft atmen – die frische Luft der Kunst-Avantgarden
München war – wenig erinnert daran heute – der Ausgangsort beim Aufbruch des Neuen Deutschen Films –
Straub/Huillet lebten und arbeiteten hier
Wenders und Fassbinder –
Wenders, der im A-Kurs war –
und Fassbinder, der die HFF-Aufnahmeprüfung nicht schaffte
Du warst Münchner, Eingeborener der Stadt, der einzige richtige Münchner im B-Kurs –
und Du hattest alles aufgesaugt, was da in der Luft lag –
So erschien es uns –
die tägliche Lesung der Feuilletons war Dir selbstverständliches Ritual,
zwei Stunden am Frühstückstisch – bevor der Tag richtig losgehen kann –
Du wusstest Bescheid – über alles und zuerst:
Warum die Dummköpfe über Beuys‘ „Zeige deine Wunde“ stritten –
In welchem Underground-Kino die Dekonstruktion des Narrativen und Ikonographischen am weitesten getrieben wird,
Du wusstest, in welchem Club Pink Floyd spielen würden –
Ja, PINK FLOYD spielten damals in einem Disco-Club (Blow Up glaub ich) –
wir waren dort,
Wenders und Handke auch –
an dem Flipper im Chez Margot, an dem Wenders gern spielte,
musste ich sterben –
für einen Deiner Übungsfilme –
Schuss in den Rücken und finales Darniedersinken auf dem Flipperapparat: TILT!
Ich musste ziemlich oft sterben,
denn die Gummipumpe für das Blut funktionierte nicht richtig –
Inspiration, Herausforderung, Geschmacksbildung, Schärfung der Urteilskraft –
eine Zeit, in der man – Bertolucci erinnert in THE DREAMERS daran –
unbedingt die richtigen Antworten geben musste – um ernst genommen zu werden:
Wer ist größer: Chaplin oder Keaton?
Keaton natürlich!
Wer ist der größere Gitarrist: Clapton oder Hendrix?
Hendrix natürlich!
An die WG-Wände, wo ansonsten noch Teenie-Poster hingen – hängtest Du Warhol-Siebdrucke: Marilyn und die Kuh –
aber die Musik war das Allerwichtigste
Fürs Studium Generale musste man Hausarbeiten schreiben –
dazu hattest du überhaupt keine Lust –
also habe ich für Dich diverse Theorie-Arbeiten geschrieben,
das heißt irgendwo etwas abgeschrieben – copy&paste würde man heute sagen –
zum Beispiel zum Thema: Der Begriff der Masse bei Gustave Le Bon und Ortega Y Gasset
als Honorar erhielt ich von Dir die allerneuesten Platten:
Captain Beefheart, King Crimson, Pink Floyd, Lou Reed…
oder die wunderbaren Hockney-Illustrationen zu 6 Märchen der Gebrüder Grimm –
Bis heute wirksame Inspirationen, Anregungen, wozu auch gehört,
sich mit Schrifttypen zu befassen –
Als Du das Machen der FILMKRITIK übernahmst: Umbruch, Gestaltung, Fotos etc. –
hast Du Dich da eingearbeitet,
und konntest begründen,
warum Garamond der richtige Schrifttypus ist – für die Zeitschrift
Aber das Wichtigste war die Musik –
wir sahen, wie Wenders die Kamera bei Jufos (Matthias Weiß) TEN YEARS AFTER machte
wir holten AMON DÜÜL ins Studio zu einer Übung für TV-Aufzeichnung
Wir veröffentlichten in der FILMKRITIK – unter Oberaufsicht von Helmut Färber –
zusammen einen Text – Rockmusik im Fernsehen –
mit dem uns Färber in die Filmkritiker-Kooperative hineinschleuste –
Übrigens ein Text, der Grundlage und Konzept abgab für den WDR-Rockpalast
Ja, die Musik – sie war Trägerwelle so vieler Inspirationen, kaum zu überschätzen –
deshalb jetzt zum Abschluss ein Zitat aus den 13 Grabinschriften,
die Bob Dylan einst für sich entworfen hat:
hier das allerletzte Epitaph:
„Es gibt einen Film, der heißt – Schießen Sie auf den Pianisten –
In dem der letzte Dialog-Satz verkündet: – Musik, Mann, das ist das einzig Wahre –
Ein Glaubensbekenntnis
Draußen läuteten die Glocken
Und sie läuten noch immer !!“
– Rainer Gansera –