Mahlzeit
Er ließ einen verdächtig aussehenden Zettel in der Innentasche seines Jacketts verschwinden, als sie näher kam.
„Ist das eine Opferliste oder eine Einkaufsliste? Scheint jedenfalls sehr lang zu sein!“, sagte sie belustigt, als sie sich an den Tisch setzte.
Er lächelte geschmeichelt, als hätte er nur das Wort „Opfer“ gehört und als sei es nur ein anderes Wort für Frau.
„Für so gefährlich hältst du mich?“
Sie sah ihn unentschlossen an.
Sehr ungern verabschiedete er sich von dem Bild dieses Mannes, der nicht seine Probleme hatte.
„Ich stelle nur gerade eine Liste von Filmen zum Thema Nahrung, Küche, Essen zusammen. Für meine blöde Kolumne.“
„Kennst du ‚Mahlzeiten‘ von Edgar Reitz?“
„Nein, nie gehört.“
„Ich hab ihn auch nur zufällig vor Jahren im Fernsehen entdeckt. Eigentlich passt nur der Titel in deine Liste, denn um Essen geht es nicht. Es ist ein sehr verrückter Film. Das Thema ist eher das Verschlingen eines anderen Menschen, aber auch nicht handgreiflich, nicht in sexueller Aneignung und schon gar nicht kannibalisch. Es ist nicht klar, wer wen aufisst, die Frau den Mann oder der Mann die Frau. In einer Liebesszene stellt sie die großartige Frage: Lebst du noch? Sie scheint sich wirklich nicht sicher zu sein. Aber noch weniger, ob sie selbst noch lebt.“
„Muss ich sehen.“