Sonntag, 11.04.2010

The Anatomy of Atavism

Ich bin überzeugt, dass Schwimmen für den Menschen genauso natürlich ist wie für eine Ente. (Herman Melville: Typee, 1846)

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Rose Rolando, alias Rosa Covarrubias, Woman (Maurice Tourneur, 1918)

Als ich im Dezember etwas über den Unterwasserfilmpionier und Erfinder John Ernest Williamson schrieb, hätte ich auf einen Artikel von Brian Taves hinweisen sollen, aus dem nicht nur einiges über den Film With Williamson Beneath the Sea (1932) zu erfahren ist, sondern nebenbei auch ein wenig über Maurice Tourneur.

Williamson lieh dem Regisseur 1919 seine Tiefseeröhre für das Finale von The White Heather, ein Duell zwischen zwei Tauchern. Als großangelegte Zusammenarbeit von Williamson und Tourneur war Jules Vernes The Mysterious Island geplant. Aber daraus wurde nichts. Maurice Tourneur stritt sich mit MGM, brach die Arbeit ab und verließ, nach 12 Jahren in Hollywood, die USA.
1926. Auf dem Buchrücken von Harry Waldmans Monographie ist diese Jahreszahl versehentlich Tourneurs Todesdatum.

Maurice Tourneur (1873 – 1961), geboren und gestorben in Paris, war erst Buchillustrator, zuletzt französischer Übersetzer amerikanischer Krimis, in der Mitte seines Lebens einer der Großen seiner Generation. Neben ihm: Griffith, De Mille, King und Walsh. Ford und Vidor waren fast zwanzig Jahre jünger als Tourneur. Er verfilmte Leroux (Le Mystere de la chambre jaune, 1913), Maeterlinck (The Blue Bird, 1918), Conrad (Victory, 1919), Stevenson (Treasure Island, 1920).

Immer wieder wird die Frage gestellt: Wie konnte Maurice Tourneur in Vergessenheit geraten?

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Maurice Tourneur beim Dreh von The White Heather, 1919 (Via México)

1920 sagte er über das Kino: „It is the most significant instrument for bringing together nations and classes because it shows us in the most rapid and forceful way how human beings resemble each other, how the color of their skin or their language does not prevent their hearts from beating in a similar manner. More through the cinema than through the efforts of diplomats, men will realize their needs, aspirations and joys and will stop considering others as strangers.“

Im Kapitel Subjects for further research schwärmt Sarris (in „The American Cinema“) von „Barbara Bedford’s expressively pervers performance“ in The Last of the Mohicans (1920). In Woman war, nach Meinung der New York Times, Adam beeindruckend primitiv, aber Eva eine „modern lady minus her clothes“.
Woman erzählt episodisch vom Paradies, von Claudius und Messalina, Heloise und Abelard, einem bretonischen Fischer und einer Meerjungfrau. Bei den Dreharbeiten ertrank der bedeutende Kameramann John van der Broek. Im Jahr darauf lernte Tourneur, eigens für die Dreharbeiten von The White Heather, das Tauchen. Das war 1919, in dem Jahr, in dem Tourneurs fünfzehnjähriger Sohn Jacques amerikanischer Staatsbürger wurde. Es heißt, lange bevor es Mode wurde, habe sich Maurice Tourneur psychoanalysieren lassen. Stimmt es, was Peter Nau schreibt, dass der Mensch in Unterwasserfilmen einen Blick auf die eigenen Ursprünge wirft?

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Jane Randolph, Cat People (Jacques Tourneur, 1942)

Elaine Morgan hat dargelegt, dass Primaten vor der Bedrohung durch Raubkatzen vom trockenen Land ins flache Küstenwasser flohen, wo sie im Laufe von etwa zwölf Millionen Jahren ihr Fell gegen eine wärmende Unterhautfettschicht austauschten und, indem sie den Kopf über Wasser hielten, den aufrechten Gang erlernten.
„Viele Eigenschaften, die als ‚einzigartig‘ beim Menschen bezeichnet werden, sind nur unter Landsäugern einzigartig. Für die meisten von ihnen finden wir, wie wir sehen werden, sobald wir die wasserbewohnenden Säuger betrachten, Parallelen in Mengen. (…) Weshalb entwickelte Homo sapiens den größten Penis von allen lebenden Primaten? (…) Weshalb schaltete er vom Aufreiten von hinten um auf die frontale Annäherung? Und auch hier werden Sie vielleicht nicht gleich bereit sein zu glauben, das stete sexuelle Verhalten des Mannes stehe in irgendwelchem Zusammenhang mit einer im Wasser verbrachten Phase seiner Geschichte. Doch wenn Sie sich erst vergegenwärtigen, dass praktisch alle Landsäugetiere die sexuelle Annäherung von hinten und praktisch alle Wassersäuger die frontale Annäherung dabei benutzen, dann werden Sie mindestens argwöhnen, dass das nicht reiner Zufall sein kann.“ (Elaine Morgan: The Descent of Woman, 1972)

Dass aus dieser Wandlung (ausführlich nachzulesen in Klaus Theweleits „Männerphantasien“, 1977) dann Grausamkeit und Sprache hervorgingen, sei hier nur nebenbei erwähnt; …so does ancient sin cling to the low places, the depressions in the world consciousness.

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Mit dieser Schrifttafel beginnt Cat People von Jacques Tourneur. Beim wunderbaren Produzenten Val Lewton waren solche Anfänge üblich. Der zitierte Autor ist eine blanke Erfindung. Tom Conway spielt im Film den zwielichtigen Dr. Louis Judd.

Schöne Musik dazu: You narcissistic arsehole / Oh you nasty, nasty man! (Kate Miller-Heidke).

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Zum Unterwasserfilm gibt es viel zu lesen im brandneuen Sonderheft 13 von „Kolik.Film“.

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