Jean Rouch in Nigeria bei einem Autounfall gestorben. C, der im gleichen Haus wie Rouch wohnt in Paris, am Boulevard Montparnasse, ruft mich am Abend an. Rouch hätte noch einen letzten Film fertiggestellt, über Berlin, wo er stationiert war als Soldat der französischen Armee. Zur Berlinale hätten sie den Film nicht gewollt. Vor Jahren in Paris einmal, ein einziges Mal, in der legendären Samstagmittagveranstaltung in der alten Cinemathek gewesen. Rouch vor der Leinwand vor dem Film, die „Freunde“ begrüßend. An diesem Tag gab es Industriefilme zu sehen aus den 50ern und 60ern. Betonbauweisen, Brückenkonstruktionen; moderne, konstruktivistische Schnittverfahren, die mit den Stahlkonstruktionen wetteiferten. Auf sowas hat er wertgelegt in seinen Kommentaren. Alles konnte Film werden, nichts zum Genre. Die Veranstaltung moderierte er seit über 40 Jahren, jeden Samstagmittag. Ein paar Mal habe er gefehlt wegen Krankheit, ein paar Mal, weil er drehte. Die Schlußeinstellung aus „Chronique d’un été“, mit Morin gemacht, war für mich die Entdeckung, dass man im Kino etwas langsam aus dem Blick verschwinden lassen kann, ohne es damit zu verneinen. Die Aufforderung, Kino immer wieder neu zu entdecken, der Schitt von den Tulpen aus Holland auf die im Niger aus „Madame l’eau“. Der Baum aus „Moi fatigue debout, moi couche“. Der letzte Film, den ich von ihm sah, handelt über Henri Langlois und die Cinematheque und über die Kinderlust alter Männer, die sich beim Befassen der Gegenstände des Kinos wieder entfacht. Da mußte ihn beim Handkameramachen schon jemand stützen. Der Kurzfilm mit Depardon, über die unterschiedlichen Arten, die steinernen Löwen in den Gärten der Tuilerien aufzunehmen. Nie gesehen: „Moi un noir“. Soviele Filme von Jean Rouch nie gesehen.
Donnerstag, 19.02.2004
Schreiben Sie einen Kommentar
Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren. Ein neues Benutzerkonto erhalten Sie von uns, bitte dazu eine Email mit gewünschtem Username an redaktion(at)newfilmkritik.de.