The Green Wave
Vor den Wahlen 2009 erhob sich das iranische Volk in spontanen Massendemonstrationen, um Reformen zu verlangen und den Oppositionskandidaten Moussavi zu unterstützen. Die Bewegung nannte sich und trug grün: Fähnchen, Armbänder, T-shirts, eine lange grüne Stoffbahn schwebte durch Teherans Straßen. Die Farbe grün symbolisierte Hoffnung und – als Farbe des Islam und Element der Landesflagge – auch eine Art Loyalität gegenüber dem Staat.
Der Film THE GREEN WAVE dokumentiert die Ereignisse anhand einiger Interviews, Amateurfilmmaterial und Textquellen aus der Kommunikation im Internet. Zu etwa einem Drittel besteht der Film aus gezeichneten Animationen (ein wenig spröder als in “Waltz with Bashir”), die diese tagebuchartigen persönlichen Schilderungen illustrieren.
Das Gros der Iraner wählt Moussavi, doch das Regime verkündet eine Mehrheit der Stimmen für Ahmadinedjad und schlägt im Folgenden die Protestbewegung brutal nieder. Es gibt Tote, zahlreiche Verletzte, Verhaftungen, Folter. Der Film fängt sowohl die Euphorie vor der Wahl als auch das folgende humanitäre Desaster in den Bildanimationen ein und rührt viele Zuschauer in der zweiten Hälfte zu Tränen. Der Schnitt (B.Toennieshen/A.Menn) flechtet geschickt das wenige Dokumentarmaterial in die gezeichnete Welt ein. Der Film, produziert mit Arte, zirkuliert auf Festivals und sein menschenrechtliches Anliegen wurde gerade mit dem Grimme-Preis belohnt.
THE GREEN WAVE hebt auf die mit den Ereignissen verknüpften Emotionen ab – liefert jedoch wenig politische Analyse oder komplexe Zusammenhänge. Wenn man ihn mit Filmen von z.B. Patricio Guzman vergleicht, bleibt ein schales Gefühl zurück. Daß der Regisseur Ali Samadi Ahadi auf das für TV typische reenactment mit Schauspielern verzichtet und den neuen Weg des motion comic geht, rechnen ihm viele Filmbesprechungen hoch an. Aber warum dürfen heutige Dokumentarfilme nicht mehr brechtisch, puristisch, fragmentarisch, selbstreflexiv, medienkritisch sein, sondern müssen ein Drama mit klarer storyline aufbieten? Die Dinge selbst treten vergleichsweise in den Hintergrund. Seinen stärksten Moment hatte der Film für mich mit dem Zeigen der linientreuen Erklärung Khatamis nach der Wahl und nicht mit der Ermordung des Kindes, das Joghurt kauft.