Freitag, 06.05.2011

Contemporary: Kelly Reichhardt

In der US-Indieszene schon ein Name, vermutlich nicht in Deutschland. Gerade startet ihr neuer Film in den Kinos, “Meek’s Cutoff”, ein minimalistischer Western, Genre gegen den Strich gebürstet: 1:1,33 Format gedreht, fast dokumentarische Authentizität in Kostümen und Alltagsdarstellung (1845, drei Familien mit drei Ochsenkarren durchqueren wüstenartiges Niemandsland), wenig ‘Handlung’, reduziert auf den existentiellen (zwischenmenschlichen) Konflikt, den richtigen Weg zu finden, eine Frau im Mittelpunkt, offenes Ende. Die Schauspieler mußten einige Wochen lang den richtigen Umgang mit den Tieren und historischem Gerät lernen.

Vor allem möchte ich jedoch über die zwei ersten Filme der Regisseurin berichten aus den 90er Jahren. “River of Grass” spielt in einer gottverlassenen Kleinstadt in Florida, nahe den Everglades. Eine junge Mutter leidet an Vereinsamung und Überdruß und wünscht sich, dass doch einfach jemand käme und ihre Kinder mitnähme. Ihr Mann ist vor allem abwesend, ihr Vater ein Polizist, ein gealterter Rockmusiker, der nur lebt, wenn er Schlagzeug spielt. In der Ouvertüre des Films geht diesem die Dienstpistole verloren, als jemand seine Stammkneipe überfällt. Die Waffe gerät in die Hände eines jungen Losers und wird zum Katalysator der Ereignisse.

Die junge Mutter und der Loser begegnen sich in der Bar. Später draußen in der Nacht, beide betrunken mit der Waffe herumfingernd, löst sich ein Schuß – der vermeintlich einen Mann tötet. Die Beiden fliehen. Wie vom Schicksal besiegelt nehmen sie die Rolle der Gesetzlosen und Verdammten an.

Der Film atmet die gleiche Luft wie Malick’s “Badlands”, ohne daß sich etwas wiederholen würde. Eine abgründige Stimmung übertönt den kriminalistischen Handlungsfaden. Der Film hat Mut zum Konkreten, Fragmentarischen, Unerklärten.

Der halblange “Ode” erzählt die erste Liebe einer 15jährigen Pfarrerstochter. Dem wohlbehüteten Mädchen wird der Umgang mit dem Verehrer verboten. Der junge Mann erlebt eine gleichgeschlechtliche Entjungferung, die er nicht verarbeiten kann und tötet sich selbst. Der Film scheint im 18.Jh. zu spielen, obwohl es die 50er irgendwo auf dem Lande sind, oder die 90er? In super8 gedreht, mit bewußten Unschärfen, die wohl auch diese Zeitlosigkeit, vor allem aber mutig ungewohnte Bilder erzeugen. Der Film konzentriert sich ganz auf die immer zu kurzen Begegnungen der Teenager, in denen sich die ersten sexuellen Gefühle aussprechen, und sie können doch nicht aus ihrer Haut, die schon mit der Moral ihrer Umwelt gesalbt ist.

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