Dienstverpflichtetes Gegenbild
In der großen Ausstellung über den „Naumburger Meister“, wurde auch sein bekanntestes Geschöpf neu in den Blick genommen: Uta von Naumburg. Der Dom und die Figuren im Westchor waren über Jahrhunderte fast unbeachtet geblieben, bis sie im 20. Jahrhundert nicht nur wiederentdeckt, sondern auch missbraucht wurden, in einem Kult des „Ewigen Deutschlands“ im Nationalsozialismus. Eine großartige Studie von Wolfgang Ullrich erzählt – mit vielen spartenübergreifenden Erkenntnissen – davon, wie besonders Uta nicht nur als Bild, sondern auch als „Gegenbild“ auf zynische Weise benutzt wurde, als hoher „Maßstab“ in der Ausstellung „Entartete Kunst“ (zuerst 1937 in München) oder in Fritz Hipplers Propaganda-Film Der ewige Jude (1940). Ullrich schreibt dazu: „In einer Filmsequenz ist die Aussage zu illustrieren, das Judentum sei am gefährlichsten, wenn ‚ihm erlaubt wird, sich in die heiligsten Dinge eines Volkes, in seine Kultur, seine Religion und seine Kunst einzumischen…’ Solange von den „heiligsten Dingen“ die Rede ist, sieht man griechische Tempelsäulen und Statuen, den Bamberger Reiter und Uta, die Köpfe des Adam und der Eva von der Bamberger Adamspforte, Botticellis Geburt der Venus, Michelangelos Fresko Erschaffung Adams aus der Sixtina und eine gotische Mariendarstellung.“
Wolfgang Ullrich schildert die Indienstnahmen, absurden Huldigungen und Projektionen, denen Uta ausgeliefert war. Aber als unentbehrliches Kunstwerk genoss Uta auch besonderen Schutz: „Zusammen mit den anderen Stifterfiguren hatte sie die Jahre ab 1939 hinter Sandsäcken und einer Holzverschalung ‚überlebt’, die als Schutzmaßnahme gegen eventuelle Bombenangriffe und Bombensplitter sogleich nach Kriegsausbruch angebracht wurden, zu einem Zeitpunkt, als man sich um die Zivilbevölkerung wohl noch kaum Sorgen machte. Für die Logik des Krieges bleiben Kunstwerke, anders als Menschen, nämlich Unikate und gelten deshalb auch als wertvoller.“
Wolfgang Ullrich, Uta von Naumburg. Eine deutsche Ikone, Wagenbach Verlag,