The Passenger (1975/2006)
Tschad, frühe 1970er Jahre. Die politische Konstellation ist diffus; der Film vermittelt sie nicht, er abstrahiert. Man kann nachlesen, dass das Land 1960 seine formale Unabhängigkeit erlangt und kurz darauf in vorhersehbare postkoloniale Instabilität abgleitet. Ein Bürgerkrieg zwischen dem islamisch-arabisch geprägten Norden und dem christlich-schwarzafrikanisch geprägten Süden, aus dem der erste Präsident Francois Tombalbaye stammt, ruft neokoloniale Akteure auf den Plan und reaktiviert alte Strukturen des Austauschs. Der Reporter und der Waffenhändler bearbeiten mit unterschiedlichen Mitteln die gleiche weltpolitische Asymmetrie, was den Identitätstransfer, den der Film als Prozess der Desubjektivierung dramatisiert, auch auf einer anderen, symbolischen Ebene geradezu notwendig erscheinen lässt. Plansequenzen, die Räume und Zeiten ineinander schieben, als wäre jedes davor/danach nur eine Frage der Perspektive bzw. der Reproduktionsmittel (hier: ein Tonbandgerät). Die notorische Leere der Räume Antonionis wird plötzlich lesbar als Koordinatensystem einer politischen Geographie, die das Sahara-Hotel mit London, München und Barcelona verbindet. Darin zirkulieren Bilder wie Waffen. Robertson (Chuck Mulvehill), der einfach so wegstirbt, spricht noch von dieser Sehnsucht nach nicht-tautologischen Erfahrungen. Nicht zu haben in diesem vermachteten Raum, der nun wirklich keine Bühne mehr ist für jene alteuropäische Innerlichkeit, die sich in Industriellen-Villen zu Tode langweilt. Soll sie doch. „The Passenger“ ist filmgeschichtlich gesehen ein besonders produktiver Fall des Re-entry. New Hollywood gegengelesen durch das darin eigentlich schon prozessierte europäische Autorenkino, zusätzlich verfremdet durch Peter Wollens Script-Mitarbeit. Der Film war lange nicht verfügbar. Seit einigen Wochen gibt es ihn auf DVD; bis Ende Juni läuft eine makellose Kopie im NFT.