Children of Men (Alfonso Cuarón) UK/USA 2006
Das Amalgamieren pessimistischer Lesarten der Gegenwart fügt sich in diesem Film nicht zu erwartbaren zeitdiagnostischen Rhetoriken. BSE, Klimakatastrophe, Homeland Security, Abu Ghraib tauchen in Emmanuel Lubezkis transparentem Handkamera-Gewebe auf und gleich wieder ab – als träumte jemand die schlechtesten Meldungen der letzten Jahre und verstünde nicht. Dennoch raunt der Film kaum; das Vordiskursive der visuellen Kultur ist ihm Material genug. Found-Footage-Paraphrasen dieser Art sind eine Option des Kinos, das benachbarte mediale Feld einer sortierenden Lektüre zu unterziehen. Wie abwesend die Plotmaschine da ist, wie ostentativ leer der religiöse Überbau, wie präsent Clive Owen Müdigkeit spielen kann. Der Tod Michael Caines, die brutalste Totale seit langem. Das Schlussbild: ein Triptychon aus drei verwirrten Lichtern. Je vous salue, Marie – ein Boot im Nebel und Josef ist verblutet.
23.11.2006 09:58
In der taz stand: „Cuarón interessiert sich nur wenig für die Hintergründe gesellschaftlicher Realitäten, er benutzt sie bloß als Schauwerte. (…) Die Rettung der schwangeren Kee gerät demgegenüber zum messianischen Projekt, von dem das Überleben der Menschheit abhängt. Sobald das Kind geboren ist, wird das Paar geradezu unantastbar. (…) Dass selbst das Sciencefiction-Genre auf die drängenden Fragen der Gegenwart keine bessere Antwort als einen neuen Erlösermythos parat hat, das ist womöglich der beunruhigendste Aspekt dieses Films.“ Der womöglich lustigste Aspekt dieser Filmkritik ist die Vorstellung: Einer, der die Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart kennt, weil er sich für die Hintergründe gesellschaftlicher Realitäten interessiert, wird Filmkritiker. Obwohl er blind ist. Aber er kommt damit zurecht.