Neulich, nach SOGOBI von James Benning, zu dem hier unten und in den dortigen Kommentaren Hinweise zu finden sind, meinte B im Foyer des Arsenal Einwände vorbringen zu müssen, die die Geglücktheit des Benningschen Projekts betrafen. Es war zwar erst am späten Nachmittag, doch in meiner Erinnerung war der Himmel über dem Potsdamerplatz, den ich mir, dort unten im Arsenalfoyer stehend, dem Raum hinzudachte, bereits wolkenlos blauschwarz dunkel, fuhr bald schon die letzte S-Bahn, und ich hatte den ganzen Tag gearbeitet, und ich war müde davon, und der Film lief im kleineren der beiden Arsenalkinos, das annähernd ausverkauft zu vollbesetzt und hellhörig für Geräusche der Zuschauer war, und auf der Leinwand waren die Bilder des Films viel zu klein wie Diaprojektionen zu sehen – ein paar Gründe, dem Vorwurf Bs nicht nachzugehen.
Am anderen Tag bekam ich eine mail von B. Ich erinnerte mich wieder an seinen Vorwurf. In der Mitte des Films von Benning war zweieinhalb Minuten lang ein Tal zu sehen und im Hintergrund ein Wasserfall und wie B von diesem Bild unter anderem auf Stichworte wie “Idylle”, “Anthropomorphismus” und “falsch prozessierte Trauer” vorgestoßen ist, ist mir immer noch nicht klar, vielleicht kann er, wenn er das hier liest, in den Kommentaren etwas dazu schreiben. In Bs mail stand ein Zitat von Paul de Man:
Wahre “Trauer“ erliegt der Täuschung weniger. Das Äusserste, dessen sie fähig ist, ist das Nicht-Verstehen zu erlauben und nicht-anthropomorphische, nicht-elegische, nicht-rühmende, nichtlyrische, nichtpoetische und das heisst prosaische oder, besser historische Formen der sprachlichen Gewalt aufzuzählen.
Heute kann man SOGOBI im Fernsehen sehen, West 3, 23 Uhr, und an den beiden folgenden Mittwochen LOS und EL VALLEY CENTRO. Daran erinnert hat mich dieses Weblog, in dem sowohl das Verschwinden der Riffelblende in den Einspielfilmen von Aktenzeichen XY notiert ist, als auch eine Beobachtung beim Zugfahren nach Süddeutschland: “bunte, nicht mehr recht runde Plastikbälle, verschossen und nie wieder eingesammelt, auf Dächern, in Gräben, sogar auf dem freien Feld.”
Manchmal schäme ich mich dafür, so zu schreiben wie ich schreibe und ich sehe dann auch ein, dass das “Äußerste” wirklich wäre, historische Formen der (sprachlichen) Gewalt aufzuzählen, wie Flaubert und Melville es getan haben, und wie B als Modernist es von mir und von Filmen erwartet. Die California Trilogie von Benning sollte man sich auch deswegen anschauen.
Mittwoch, 06.03.2002
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