Schönheit
„Schönheit heißt das Wort, das unser erstes sein soll. Schönheit ist das letzte, woran der denkende Verstand sich wagen kann, weil es nur als unfassbarer Glanz das Doppelgestirn des Wahren und Guten und sein unauflösbares Zueinander umspielt, Schönheit, die interesselose, ohne die die alte Welt sich selbst nicht verstehen wollte, die aber von der neuen Welt der Interessen unmerklich-merklich Abschied genommen hat, um sie ihrer Gier und ihrer Traurigkeit zu überlassen. Schönheit, die auch von der Religion nicht mehr geliebt und gehegt wird und die doch, wie eine Maske von deren Antlitz gehoben, darunter Züge freilegt, die für die Menschen undeutbar zu werden drohen. Schönheit, an die wir nicht mehr zu glauben wagen, aus der wir einen Schein gemacht haben, um sie leichter loswerden zu können, Schönheit, die (wie sich heute weist) mindestens ebenso viel Mut und Entscheidungskraft für sich fordert wie Wahrheit und Gutheit, und die sich von den beiden Schwestern nicht trennen und vertreiben lässt, ohne in geheimnisvoller Rache beide mit sich fortzuziehen…“
(Hans Urs von Baltasar)