Super8-Filme von Harald V Uccello
Die so gut wie unbekannten Filme von Harald V Uccello sind einzigartige Gebilde: das spezifisch Farblich-Stoffliche des Super8-Materials und die Dimension des Tons legieren sich auf schöne Weise mit dem, was da gezeigt wird und wie es gezeigt wird. (Helmut Färber hat schon in einem Gespräch mit Karl Heil und Harald Vogl vom 27.9.1980 diese für ihn besonderen Qualtitäten des Super8-Materials angesprochen; siehe ‚Filmkritik’, Dezember 1980, S. 556.) Entscheidend war sicher auch der Entschluss zum spielfilmmässig Inszenierten – Motive etwa nach Samuel Beckett / Sylvia Plath, Hans Henny Jahnn, Georges Bataille, Patricia Highsmith, Voltaire (Dear Jimmy, Henny, Anabel, Only You, Güle Güle, 1978-1985) –, die sorgfältige Kamerarbeit von Harald Vogl, der mit diesen beschränkten Mitteln (z.B. was das Licht in Innenräumen angeht) wunderbare Einstellungsfolgen geschaffen hat. Die fixen und leicht bewegten Kadragen sind immer so, dass man gerne hinschaut – das Bildliche nimmt gefangen. Dann das Halluzinative der Tonspur: auf den Strassen, in der Stadt, ist der Autoverkehr von einer fast nervtötenden Präsenz, oft setzt eine Einstellung mit übersteuertem Ton ein (den die Automatik dann runterregelt) und jeder Einstellungswechsel und Schnitt ist natürlich von Tonsprüngen begleitet. (Ein Huillet-Straub-Effekt; die Aufnahmebedingungen mit Super8 erforderten anscheinend, je nach Gerät, den Einsatz der ‚Automatik’.) Das ist nun nicht mehr rückgängig zu machen und katapultiert diese Filme in eine Region, in der die Stimmungen des Lichts, die farblichen Nuancen, der Ablauf des filmisch Amalgamierten sich mischt mit diesem Halluzinativen – wie wenn in all diesem einmal gegenwärtig Gewesenen nur immer die neue Gegenwart aufgerufen würde.
Die „Motive“ (nach den genannten Autoren) gehen so in die Filme ein, dass sie mal mehr mal weniger bemerkbar sind: wichtiger scheint, dass da eine bestimmte Figurenkonstellation entsteht oder hergestellt wird. Die als Darsteller verpflichteten Freunde, Nahestehenden, Personen machen sich diese Konstellation zu eigen – bringen jedoch (kommt einem vor) auch ihre persönliche Ausgangslage mit rein. Sie sind Darsteller ihrer Figur und ihrer selbst. Über diese Doppelung erhalten sie eine eigenartige Präsenz – und zwar alle, ausnahmslos, auch diejenigen, die nur kurz auftreten und wenig oder nichts sagen. ‚Eigenartige Präsenz’ ist wörtlich zu nehmen: sie sind wirklich da in ihrer Art, der Eigenart ihrer Person. Das Fiktive geht völlig im Dokumentarischen auf – oder eher: eins ist ganz im andern aufgehoben.
Ein kleiner Schritt noch (davor oder danach) und die Darsteller sind nur noch sie selbst: bringen sich ein als Person, tragen etwas vor von sich oder extemporieren vor der Kamera (Mono von HVU, 1979, Mmh von Karl Heil, 1981). Das sind immer auch kollektive Werke, in denen ein Raum organisiert oder zur Verfügung gestellt wird (von dem, der den Film macht), der dem Ausdruck dieser Personen dient. Und ein weiterer Schritt: beim letzten Super8-Film – Aufnahmen in Turin und Branca Leone (Kalabrien) – werden keine ‚Motive’ gesucht, es genügt, dass die Bücher von Cesare Pavese im Kopf des allein Reisenden und Filmenden vorhanden sind (Settanta Panini a Roma, 1985).