Donnerstag, 26.06.2014

Plansequenzen sind eine Frage der Moral

In der inzwischen schon berühmten vierten Folge der HBO-Serie True Detective dringt Detective Rust Cohle (Matthew McConaughey), undercover getarnt mit White-Scum-Bikern, in ein housing complex ein, um Drogenproduzenten und -dealer auszurauben. Die Szene ist voll von Stereotypen: mehrere der schwarzen Drogendealer sind dick, alle haben moderne Schnellfeuerwaffen, hören Rap-Musik, Frauen und Kinder sind in den Räumen, in denen Drogengeld aufbewahrt wird und Drogen hergestellt werden, (das Kind, das alleine vor einem Fernseher sitzt (!), wird von Cohle in Sicherheit gebracht (!!)), die Frauen sind leicht bekleidet und in die Geschäfte involviert. Ist diese Darstellung rassistisch? (Das ist sicher nicht die erste Szene, wo man diese Frage, wie auch die nach dem Sexismus der Serie stellen könnte.) Relativierend könnte man anführen, dass in der selben Folge genau zuvor der Biker’s Club ebenso ausführlich wie stereotyp gezeigt wurde: skinny old men, Schmutz, nackte Stripperinnen, Brutalität, Wahnsinn. Ein Unterschied ist jedoch, dass die Biker sich nicht in einer Wohnsiedlung verschanzen, keine Kinder vor Ort sind und von den Frauen keine Gefahr ausgeht, weil eher ausgebeutet und Opfer. Es gibt aber noch einen Unterschied. Der Überfall des Drogenhauses ist in einer virtuosen Plansequenz gedreht, die gleich nach der Ausstrahlung die Zuschauer begeisterte, wie sich im Internet leicht ablesen lässt. Wer nun also die berühmte Plansequenz aus True Detective sucht, der sieht, wie Weiße in Polizeiuniform (die Tarnung der Biker) in ein Schwarzenghetto eindringen, das ziemlich verwahrlost ist, wo die Gewalt sofort eskaliert und Schießereien entstehen, weil dort so viele Waffen im Umlauf sind. Und wer die ganze Episode gesehen hat, wird sich speziell diese Szene auch mehrmals ansehen, wenn man sich für die Technik begeistert. Und so sieht man auch, wie Weiße (Darsteller McConaughey, der die ganze Szene über ruhig und kontrolliert auftritt, Regisseur Cary Fukunaga, Kameramann Adam Arkapaw und Komponist T Bone Burnett, der das ganze mit düsteren Klängen untermalt) furios den schwarzen Chaos-Dschungel bewältigen. An den Biker’s Club erinnert man sich erst mal nicht mehr, der war konventionell aufgelöst. Mit dem Internet und der Möglichkeit des instant replay wird die Plansequenz zu einem nicht zu unterschätzenden Mittel der Schwerpunktsetzung.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren. Ein neues Benutzerkonto erhalten Sie von uns, bitte dazu eine Email mit gewünschtem Username an redaktion(at)newfilmkritik.de.


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort