Filme der Fünfziger XIX: Vergiß die Liebe nicht (1953)
Frühstückszeit im Einfamilienhaus. Drei Kinder, der Ehemann Franz (Paul Dahlke), seine Frau Anna (Luise Ulrich) und die Haushälterin Stadler (Annie Rosar) laufen geschäftig herum. Es wird palavert, es lärmt wie in einem italienischen Familienfilm. Schließlich sitzen alle am Tisch, nur die Ehefrau springt immer wieder auf, kümmert sich, hastet, besorgt, was fehlt und bekommt vom Frühstück schließlich nur noch die Reste. Vater Franz plant eine Wochenendreise nach Innsbruck; im Auto ist für Anna kein Platz mehr frei. Egal, geht schon. Als sie ins Haus zurückkehrt, sitzt die alte Haushälterin mit der „Vogue“ im Sessel und klärt die Ehefrau auf: Anna rackert sich ab für die Familie und bekommt kein Gehalt, keine Weihnachtsgratifikation, nicht die geringste Anerkennung und muss im Urlaub sogar zu Hause bleiben. So beginnt „Vergiß die Liebe nicht“ in der Regie von Paul Verhoeven. Gleich präsentiert er einen Gegenentwurf zu dieser normalen Ehe. Statt mit der Familie in den Kurzurlaub zu fahren besucht Anna ihre Freundin, die Frau eines Modesalonbesitzers. Dieser Mann springt auf, wenn ein Aschenbecher fehlt und bringt seiner Frau das Frühstück ans Bett. In einer Woche hat Anna Geburtstag; aus der Modekollektion des Mustergatten schenkt ihr die Freundin schon jetzt einen Pelzmantel und schicke Kleider – Himmlisch!
Immer wieder wird Anna von der Kamera isoliert und spricht im Off mit sich selbst. Sie ist frustriert und mag es nicht sagen, sie verliebt sich auf ihrer Urlaubsreise und traut sich nicht recht; Anna fremdelt mit der Familie, aber auch mit der ungewohnten Welt des Charmes, ihren schicken Kleidern und neuen Chancen als attraktive, allein reisende Frau. Ihre Off-Stimme kommentiert und reflektiert jede neue Wendung, erst unsicher, dann immer selbstbewusster und dann sogar mit selbstironischem Unterton. Paul Verhoeven inszeniert ein Spiel im Spiel – mit der Allerweltsgeschichte, dem Alltag und einer nur leicht gewagten Romanze.
„Vergiß die Liebe nicht“ war eine der seltenen intelligenten Filmkomödien der frühen BRD, akzentuierte realistisch und ironisch die patriarchalische Konstellation in einer von wirtschaftlichen Nöten freien Familie und funktionierte natürlich auch als Lebenshilfe für alle Frauen, die sich von ihrem Mann vernachlässigt fühlten. Brav und leider gar nicht mehr so spannend geht es im Film und im Leben zurück in die Harmonie des Familienidylls. In einer Parallelgeschichte fällt eine der Töchter auf einen verheirateten Schürzenjäger herein; ganz allein irrt sie nachts durch die Straßen und wird von einer Polizeistreife nach Hause gebracht. Wie gefährlich eine solche Romanze doch werden kann; gottlob ist es nicht zum Letzten gekommen, nicht bei der Tochter und nicht bei der Mutter. „Die Mutter“, so sah es der Kritiker des film-dienst, „besteht die Ehekrise, die sie mit verstärktem Verantwortungsbewußtsein in den Kreis ihrer gleichförmigen Alltagspflichten zurückkehren läßt.“
Im Fachblatt „Der Blumenbinder“ wurde auf die Möglichkeit der Produktwerbung hingewiesen; dafür gab es vom Verleih einen Plakataufsteller mit dem Spruch: „Denkst Du an Liebe/ Vergiß die Blumen nicht! Denkst Du an Blumen – Vergiß die Liebe nicht!“. Ob das Ehen gerettet hat? Treffend wäre ein anderer Spruch gewesen, dessen Urheber ich mir leider nicht gemerkt habe und der auch wenig kommerziellen Nutzen gehabt hätte: „In der Ehe verliert das männliche Auge seinen Glanz – Zunächst perlt es wie Sekt, dann wie Kamillentee.“
In der Kategorie „Problemfilm“ bekam „Vergiß die Liebe nicht“ 1953 den Bundesfilmpreis.
Nicht als DVD.