Montag, 07.01.2002

Fernseh-Hinweis

Während der letzten Jahre habe ich zur Berlinale nach und zwischen den Filmen kurze Berichte über sie geschrieben und an Freunde gemailt, dass sie sich die Filme auch angucken, wenn sie gut sind; oder nicht hineinlaufen müssen, wenn sie schlecht sind. Heute abend läuft auf arte um 20:45 Uhr einer dieser Berlinalefilme, Fritz Langs: Rancho Notorious (USA 1951/52).
Marlene Dietrich betreibt da eine Art Hide-Away-Wohngemeinschaft nah der Border. Sie beherbergt Outlaws, die Regeln sind klar, keine Fragen und 10% der Einnahmen aus den kriminellen Raubzügen der Gäste. Es ist das Chuck-A-Luck und es dauert etwa 30 Minuten, bis man versteht, was das bedeutet. Ich kannte den Film auch nicht, bisher, und ich bin überhaupt nicht gleicher Meinung mit Andreas Hahn, dem Redakteur des Filter, den ich nach der Projektion in Eiseskälte traf und der den Film nachher großspurig nicht gelungen fand.
Zwei Jungs stehen im Regen vor dem Cinemaxx, beide behaupten, viele Western gesehen zu haben. Toll, so eine shoot-out Situation zwischen Ex-Uni-Boys, nach einem Western. Ich bin in mein Chuck-A-Luck nach Schöneberg, hier werden auch keine Fragen gestellt. Es gibt immer ein zweites Mal, sieh Dich vor, Andreas Hahn, I will learn my lesson.
Hervorzuheben an dem Film der ungemein tolle Cast, neben Marlene Dietrich sind das: Arthur Kennedy, Mel Ferrer, William Frawley, Jack Elam usw. Der Film ist eine Ballade, of „hate and morder and revenge“. Zusammengesetzt ergibt das zahlreiche Switches und Unsicherheiten, spannende Seitenwechsel. Zwei, drei Mal stehen sie vor tollen gemalten Kulissen, ich würde vorschlagen, sowas heute auch mal wieder zu versuchen, am Abend, in irgendeinem Studio, wenn diese Blue-boxes nicht mehr von Blue-box-bewachern betrieben werden müssen (damit deren Investition sich gelohnt haben wird), stattdessen einen Kinomaler sich zu zu bestellen für großflächig und beinahe monochrom gemalte Landschaftskulissen, vermutlich ist das genauso schön wie das gemeinsame Singen der Figuren in Filmen. In Rancho Notorious singt nur Marlene Dietrich.
Nachdem Arthur Kennedys Freundin ermordet wurde, reist er ihrem Mörder nach. Er weiß nicht, wie der aussieht, aber er sieht die Brosche an Marlene Dietrichs schwarzem Kleid, die hat er seiner Freundin geschenkt, kurz bevor sie ermordet wurde. Lloyd Gough spielt den Mörder. Er erkennt Arthur Kennedy an der Art, wie er auf sein Pferd steigt. Ich hatte mich sehr über diese Aufnahme von Arthur Kennedy, wie er auf sein Pferd steigt, gewundert. Sie war so merkwürdig unsauber, mit einem “falschen Anschluss”, hervorgehoben, kurz nachdem man eine Großaufnahme der Brosche gleich zu Beginn des Films gesehen hatte. Ich hatte daran gar nichts besonderes gesehen. Aber um 1870 sieht man andere Sachen und Filme können davon erzählen. Die Brosche und Arthur Kennedys Eigenart, sein Pferd zu besteigen, beides sind um 1870 sichtbare Zeichen und noch 1950 läßt sich damit eine Geschichte zusammenhalten.
Noch ist sich Arthur Kennedy unsicher. Er hat es zum Chuck-A-Luck-Bewohner gebracht, er hat Frenchy aus dem Gefängnis befreit, in einer fast brechtschen Szene. Da sind Wahlen in einer Stadt und die Law-and-Order-Partei (die wirklich so heißt) wird gewinnen und die korrupten Politiker sind schon mal sicherheitshalber in einer Zelle eingesperrt, damit man sie später leichter lynchen kann. Und Frenchy sitzt in der anderen Zelle und möchte nichts mit den korrupten Politikern zu tun haben und wie Arthur Kennedy in die Zelle reinkommt und Frenchy und er Freunde werden für eine Zeit, weil sie sich befreien können (in den Whiskeyflaschen, die die korrupten Politiker bekommen vom immer noch korrumpierbaren Sheriff ist ein Nachschlüssel, doch versehentlich gerät die Flasche mit dem Schlüssel in die Zelle der Outlaws), ist das, was ich mit brechtisch meine.
Frenchy (Mel Ferrer), Marlene Dietrichs Geliebter (wie die beiden, Mel und Marlene, zusammengekommen sind erzählt der Film in zwei toll motivierten und jeweils mit Ortswechseln verbundenen Erzählungen, die Arthur Kennedy zugetragen werden. Balladen innerhalb der Ballade) bekommt mit Arthur Kennedy einen Konkurrenten, scheinbar. Doch Arthur Kennedy geht es nur um Rache. Er tut nur so, als würde er sich in die Dietrich verlieben, er will nur wissen, von wem sie die Brosche hat. Noch sind alle verdächtig im Chuck-A-Luck. Dazu gibt es eine tolle Szene, eines Abends sitzen alle Bewohner herum und hören zu, wie die Dietrich ein Lied singt und Arthur Kennedy scannt währenddessen die Leute und sie erscheinen dabei im Film wie auf imaginären Fahndungsfotos, jeder bekommt einen Close-Up und dagegengeschnitten ist in einem steten Wechsel das rachsüchtige und doch unsichere Gesicht von Arthur Kennedy.
Spätestens mit dieser Szene hatte der Film mich für sich gewonnen, denn jeder ist damit und von nun an einem Verdacht ausgesetzt, die Outlaws mindestens dem Arthur Kennedys und Arthur Kennedy mindestens dem der Zuschauer, einen fatalen Fehler bei seinen Racheanstrengungen zu begehen. Dass erzählen zu können, so ein Ensemble an Verdächtigern und Verdächtigen zusammenzuhalten, das allein macht doch schon einen guten Film. Sieh Dich vor, Andreas Hahn. I’ll return from my Chuck-A-Luck, and answer questions, someday.
Zum Schluß reiten Frenchy und Arthur Kennedy als ehemalige Rivalen fort, aus dem Off begleitet von der Ballade, die das Ende der Story of „hate and murder and revenge“ besagt. Alle anderen sind bei der Schlußschiesserei ums Leben gekommen. Marlene Dietrich hatte sich in den Lauf der Kugel geworfen, die für Frenchy bestimmt war.

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