So foul and fair a day I have not seen.
Drei Küchen
1 – Der Schreibtisch vorm Fenster, Mimmi – im Gegenlicht – legt eine Kassette in den Rekorder ein (Guilty By Association/VIK CHESTNUTT), wendet sich nach rechts aus dem Bild. Nach dem Einsatz der Musik erfolgt der Umschnitt auf eine frei im Raum stehende Küchenzeile: Hängeschränke, Bodenschränke – dazwischen ein Spalt mit Ausblick auf einen kleinen Fensterausschnitt im Hintergrund. Mimmi nimmt das zuvor geschmierte Butterbrot auf, wendet sich in den Raum hinein, blickt zum Fenster hinaus, das jetzt außerhalb des Bildes liegt. Alles bildbestimmende Licht kommt von hier. Sie isst das Brot. Sie hört der Musik zu. Das ist alles. Da es aus Kamerarichtung keine merkbare Aufhellung gibt, liegt fast die gesamte Szenerie im Dunkel und Mimmi ist mehr konturiert, als dass man sie sieht. Dazu steht sie Kamera abgewandt. Trotzdem füllt sie den Raum mit Widerstand an. Ihr Eigensinn durchwirkt das Bild; kein Tappen im Dunkel, kein Fischen im Trüben. Mimmi besetzt die Kategorie der Radikalität. Das ist ein Vermögen der Darstellerin, das sich die Regisseurin für ihre Figur nutzbar zu machen versteht. PLÄTZE IN STÄDTEN
2 – Durch das große Fenster des Living zum Vorgarten hin sieht man Eric auf die Haustür zulaufen. Er öffnet, durchquert den Wohnraum auf die Kamera zu und biegt in die helle gelbe Küche ab, die wiederum amerikanisch zu einer Essecke hin geöffnet ist. Aus dem Kühlschrank bedient er sich an einem Plastikkanister mit Milch, indem er ihn zwanglos zweimal an die Lippen setzt und zwischendurch zum Fenster hinaus schaut. Dabei geht er im Küchenrund einmal im Kreis, stellt die Milch in den Kühlschrank zurück, verlässt die Küche zum Esszimmer hin und verschwindet in einem Türrahmen im Hintergrund. Im Ton ist zu hören, dass er die Treppe zum Basement hinunter läuft. Alles in einer Einstellung, die ohne künstliches Licht auskommt und in der jederzeit alles zu sehen ist. Um Eric herum gibt es kein Geheimnis. Das führt zur paradoxen Situation, dass aus Unaufdringlichkeit ein Sog entsteht und man zu spüren meint, soviel USA war nie. Das Wort von der Errettung der äußeren Wirklichkeit scheint hier konkretisiert. Die Last der Suggestion bürdet sich nicht auf, was als Befreiung erfahren wird. ELEPHANT
3 – In Sophies Arbeitsraum befindet sich hinten links eine Küchenecke. Durch die Fenster dringt spätes Sonnenlicht, so dass von der Küche nur Schemen zu erahnen sind, denn sie liegt außerhalb der Einstrahlung. Nach der reminiszenten Betrachtung einiger Fotografien auf dem Arbeitstisch befindet sich die Fotografin nach dem Umschnitt vor dem Kühlschrank und entnimmt ihm eine Wasserflasche. Diese Aktion zu verfolgen gestattet einzig die Kühlschrankinnenbeleuchtung, die beim Öffnen der Tür ein kurzes Gegenlicht erzeugt. Sophie setzt die Flasche an die Lippen, leert sie und trägt sie zur Leergutkiste, die wiederum im Sonnenlicht steht. Dem dummen Wortspiel zum Trotz ist diese Einstellung leer oder erscheint falsch. Die an Naturalismen orientierte Gegenlichtfotografie reizt zwar das Material aus, wodurch sie das Bild in Spannung versetzt. Sie dekoriert quasi Sophies offene Fragen, die in einem – Was ist als nächstes zu tun – zusammenzufassen wären. Da aber nicht der unfokussierte Charakter einer Darstellerin den Raum füllt, sondern eine Schauspielerin versucht, das Bild mit dem Charakter einer Figur aufzuladen, entsteht eine unproduktive Reibung – zwei Dinge schleifen aneinander in gleicher Stoßrichtung – die keine Dichte erzeugt. MARSEILLE
Epilog – In einer geheimnislosen Küche sitzt der Kommissar am Küchentisch, seine Mutter arbeitet an der Küchenzeile im Stehen. Auf dem Küchentisch vor dem Kommissar liegt ein feuchtes Küchentuch. Der Kommissar in etwa: DAS STINKT! Die Mutter ist empört. Großartige Alltagsbeobachtung. L’HUMANITÉ