Drive, He said
Festtafeln vor üppigen Brokatstoffen, die neureiche russische Oberschicht im Londoner Exil diniert an öffentlich unsichtbaren Orten, auch wenn die Stamford Bridge nicht weit ist. „Arsenal“ ist hier das letzte Wort eines lebensmüden Schwachsinnigen. Großartige Szene: wie sich der Sohn des Friseurs im Namen einer der beiden Roten Armeen der Premiere League dem blauen Strom entgegenstellt. Chelsea heißt hier Chelski, Viggo Mortensen, der Chauffeur, kennt die neue Topographie und die alten Klassenverhältnisse: Slaves give birth to slaves, sagt er zweimal im Film, wenn ich mich richtig erinnere. Eine weitere Geschichte der Gewalt kulminiert in einer Performance, die an experimentelles Theater denken lässt. Andererseits: Diese Archaik kann nur die relative raumzeitliche Kontinuität der Plansequenz entfalten. Mortensen-Fans werden dennoch auf die DVD warten, um ihre Wahrheit im freeze frame zu suchen. Die Gangster-Posen sind vergrößert und zugleich verdichtet, einmal durch ihre eigene Geschichte als Zeichen hindurchgegangen, aber anders als bei den Sopranos. Die vori v zakone hatte keinen Al Pacino, ihr Initiationsritual liest die Geschichte aus den Oberflächen des Körpers und formuliert eine viel profundere Entindividualisierung. Mob minus Katholizismus? Den melodramatischen Kern des Films legt Cronenberg von Anfang an offen, man vergisst ihn nur zwischenzeitlich. Daher die Wucht des protoreligiösen Bildes: eine heilige Familie, deren Anblick die Kamera zurückweichen lässt. Als würde sie ahnen, dass die homoerotische Energie auch durch eine Maria im Lederdress kaum reproduktiv umzulenken ist. Ordinary People haben englische Tapeten.
Eastern Promises (David Cronenberg) UK/CA/USA 2007