Freitag, 25.04.2008

Paranoid Park

Was ist von dem Film zu halten, in dem – anders als beim unangestrengt gestrengen „Elephant“ – der Regisseur sich nicht vor allerhand Spielereien scheut?
Kaum erinnerlich, Blendenfahrten gesehen zu haben, wie es großspurig heißt, wenn während laufender Kamera die Linsenöffnung verändert, es bald hell, bald dunkel wird.
Die Veränderung der Geschwindigkeit und Bildfrequenz, sog. Staffeln, kommen schon bei „Elephant“ vor, in dem die leitmotivische Verschiebung bis hin zum Eingriff in die Realzeit von Plansequenzen reicht. Seit der Effekt tausendfach zum Einsatz gebracht wird, z.B. in beinahe jedem indischen Musikclip, weil digital knöpfchendrückend simpel zu machen, ist er nicht mehr viel wert. (Diese erst ca. 8 Jahre alte Erfindung von Arri für Filmkameras – mit solcher immerhin machte es der handwerkelnde Gus van Sant also bei der Aufnahme selbst – war eine Ingenieursleistung, weil im identischen Maße der Laufgeschwindigkeitsvariation die Umlaufblende synchron geöffnet bzw. geschlossen werden mußte.)
Es ist Gus van Sant keinesfalls zu verdenken, daß er neuerlich in Schulfluren filmt, deren Schachtform per se Perspektive ist und deren Seitenfenster, Klassenzimmertüren, Neonröhrenreihen, spiegelnde PVC-Böden fabulöse Lichtwechsel wie von selbst mit sich bringen.
Es gibt ein Gespräch, beinahe schon ein Verhör zwischen dem Polizisten, welcher den wahrscheinlich fremdverschuldeten Tod eines Wachtmeisters aufzuklären hat und dem jugendlichen Protagonisten, Alex. Sie sitzen einander gegenüber. Die Kamera, über der langen Tischreihe zwischen ihnen, ist weit entfernt, nähert sich allmählich und vollführt einen Schwenk, bis sie frontal ins Gesicht von Alex gewendet ist. Der Vollzug dieser Einmischung legt das sonst so gewaltsame Schuß/Gegenschuß-Prinzip nahe, und daß dem Umschnitt auf den Kriminaler stattgegeben wird, ist eine feine Sache. Ähnlich stringent ist eine andere Gegenüberszene, in der vom Einen zum Anderen nicht geschnitten, sondern über beinahe 180 Grad geschwenkt wird. Während der beträchtlichen Dauer des Schwenks verbleibt die Schärfenebene in der Nähe, der Hintergrund matt.
Der Vorführer meinte, es mit einem Fehler zu tun zu haben und mußte sich durch einen Vorab-Lauf des ersten Aktes vergewissern, daß es sich tatsächlich um das altmodische Bildseitenverhältnis von 4:3 handelt, das eben auch mal die Brücke über dem Skater-Areal mit ins Bild zu holen erlaubt und ohnehin die Betrachtbarkeit des Bildganzen erleichtert. Eine anderes Revival kommt dem Super8-Format zu. Gus van Sant führt das Alibi an, es sei das „medium of skate film“ – ist das nicht Händi-Video?
Tja, und dann hat es in „Paranoid Park“ ein ausgewachsenes Sounddesign, Gus van Sant spricht von „soundscapes“. Das beständige Spektakel ist aufdringlich, weil die Tonspur nicht selektiv rezipiert werden kann. Auf die hohe Ereignisdichte für die Wahrnehmung ist wohl zurückzuführen, daß der scheinbar bloß 30minütige Film, den andere ausgerechnet als eintönig bezeichnen, faktisch eine Länge von 85 Minuten hat.
Der Elegiker Gus van Sant hatte Musikclips gefertigt, z.B. für David Bowie und „Red Hot Chili Peppers“. Er schneidet seine Filme selbst.
Ziemlich sicher hat einer der Velasquez-Brüder aus Larry Clarks „Wassup Rockers“ – der auch mehr ist, als ein Skater-Film – einen kurzen Auftritt auf dem Board. Sicher ist, daß die unsägliche Punk-Band der Velasquez-Brüder, „The Revolts“, ein lärmendes Stück Filmmusik beigesteuert hat.
Filmstart ist der 15. Mai. Über die Altersfreigabe ist – wahrscheinlich wegen des vom Zug durchtrennten Körpers, der Rumpf kriecht auf Alex zu – noch nicht entschieden.
Nein, kein Grund enttäuscht zu sein, vielmehr angenehm uneuphorisch, ein dem Manierismus zu verdankendes gezügeltes Entzücken.
Im Werkstattkino München gibt’s Gelegenheit, zusätzlich zum aktuellen „Paranoid Park“ (Preview 8./9. Mai, 20.30 Uhr) weitere Gus van Sant-Filme zu sehen: das Hitchcock-Remake „Psycho“ (13.-15. Mai, 22.30 Uhr), die Kurt Cobain-Hommage „Last Days“ (16.-18. Mai, 20.30 Uhr) und die Junkie-Geschichte „Drugstore Cowboy“ (16.-18. Mai, 22.30 Uhr).

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