Have seen worse
Ein Buch, das Samuel Beckett ins Kino begleitet, führt uns auch in das nationalsozialistische Deutschland von 1936: „Her Kraft durch Freude conversation kills me.“, schreibt Beckett über eine ihm zugeteilte Begleiterin, mit der er den Film „Verräter“ von Karl Ritter sieht, der als „Born sittlicher Kraft“ gefeiert wurde und sowohl ein großes Publikum als auch die nationalsozialistische Führung zufrieden stellte. Beckett notiert in seinem Tagebuch angewidert: „Poor Ufa Film (Der Verräter), all the stale Chinoiseries of take & cut.“ Die Autorin Carola Veit ermöglicht uns diese aufregende Zeitreise, weil sie dem Einfluss des Kinos auf Becketts Werk nachgehen will und sein Tagebuch während einer halbjährigen Bildungsreise nach Deutschland darüber viele Aufschlüsse gibt. Es sind nicht nur deutsche Filme, denn es gab noch zugelassene ausländische Werke zu sehen, aber das Angebot zeigt die brutale Säuberung der Filmindustrie. Es ist unheimlich und komisch zugleich, wie Beckett sich in der Diktatur konsumierend bewegt, mit seinen Kurzkommentaren sich die Machwerke vom Leib hält und die wenigen goutierten Filme respektiert. „Have seen worse“, anlässlich von „Premiere“ von Geza von Bolvary, ist zum Beispiel ein Lob. Der volle Überraschungseffekt ergibt sich aber nur durch die Vorarbeit der Autorin, die mit Filmnacherzählungen und politischen Hintergründen all das liefert, was man braucht, um die Lakonie der Eintragungen zu verstehen.
Unbedingt empfehlenswert.
Carola Veit, Die Kraft der Melone, Samuel Beckett im Kino, 2009, Reihe Filit im Verbrecher Verlag, herausgegeben von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen, 11 €