Samstag, 29.05.2010

Als ich heute Nachmittag beim Aufräumen eine Freikarte vom fsk fand, erinnerte ich mich zum Glück an Simons Cargo-Eintrag nebenan. Auch ich schreibe gerne vom Soundtrack, wiewohl der das Geringste ist an »Le père de mes enfants«. Jedoch: Ein Film, der mit Musik von Jonathan Richman beginnt! [Hier: »Egyptian Reggae« (youtube); zuletzt: »There’s Something About Mary« (USA 1998) (youtube).] Vor ein paar Tagen hatte ich etwas gelesen zum Unterschied der Todesauffassungen bei Montaigne und Pascal. Für Pascal bleibe der Tod eine außerordentliche Ungeheuerlichkeit. Bei Montaigne sei er das integrative Ein und Alles der Lebenslehre (»Philosophieren heißt, Sterben lernen«). Mia Hansen-Løves Film «Le père de mes enfants» folgt deutlich – und manchmal fast widerwillig – Montaigne. Ich muss deshalb Gerhard Middings Text im tip freundlich widersprechen, denn dieses montaignische Grundempfinden unterscheidet den Film von Claude Sautets großem pascalschen Firmen- und Moralitätszusammenbruchsfilm »Mado« (Frankreich 1976). Das Unausweichliche ist dort immer schon da und ein Skandal. Beim »Vater meiner Kinder« ist das anders, weil der sich von Beginn an dem Fluiden, Wechselhaften verschreibt. Sein szenisch wohlgesetzter Impressionismus ent-skandalisiert das andauernde Weitermachen, ohne dies vitalistisch zu verkitschen. Wie die Kinder dem Liquidator die Hand geben, »au revoir, Monsieur Liquidator«, schien mir in dem Moment ein kluges Wort zum katatonischen Ökonomie-Terror der Texte und Reden der letzten Monate. Und überhaupt diese luftige Skizzenhaftigkeit die ganze Zeit, die ich zuletzt so schön (wohl leuchtend, aber ein Leuchten ohne Pathos, weil in Dynamik, Beweglichkeit, Alltagsbezüglichkeit gedacht) wirklich bei Assayas (»L’heure d’été« (Frankreich 2008), »Fin août, début septembre« (Frankreich 1998)) gesehen hatte. Kamera: Pascal Auffray. Schnitt: Marion Monnier. Auf dem Rückweg über die Oranienstraße kamen mir unheimlich viele Jugendliche mit neonfarbenen Strumpfhosen entgegen.

2 Kommentare zu “”

  1. Bettina Klix schreibt:

    Ein Erinnertwerden an Assayas ist für mich sehr wehmütig. Der Assayas von „Fin août, début septembre“ jedenfalls ist mit „Demonlover“ (2002) gestorben.

  2. Michael Baute schreibt:

    Stimmt. »Demonlover« und »Boarding Gate« arbeiten mit und an anderen Registern. Globalitätsfilme sind das. Aber »L’heure d’été« knüpft doch wieder an ans Skizzenhafte Erzählen über Leute, mit denen man mehr teilt als nur das aus der selben Generation zu sein. Diese Räume voller gemeinsamer Erinnerungen, gespeicherter Intimität. Die Nähen darin, aber auch die sich verselbstständigenden Vorwürfe. Interessant ist »Clean«, der sich schön unentschlossen, fast tragisch dazwischen bewegt.

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