Hin und Her
Auszüge aus den Recherchen zu „Vergleich über ein Drittes“ und „Zum Vergleich“ von Harun Farocki.
von Matthias Rajmann
Zusammengestellt aus der E-Mail-Korrespondenz München-Berlin vom Zeitraum Mai 2005 – September 2007. Rückmeldungen, Anmerkungen, Überlegungen und Fragen von Harun Farocki sind kursiv gesetzt.
ZIEGEL-INDUSTRIE
„Sehr geehrter Herr W.,
unser Anliegen ist es, Vorgänge und Techniken bei Produktion von und Bauen mit Ziegeln in einer Weise darzustellen, die sich ohne zusätzlichen Kommentar selbst erklärt. Bislang konnten wir z.B. in Indien Dreharbeiten durchführen. Die Herstellung und Weiterverarbeitung der Ziegel erfolgt dort in einfacher vorindustrieller Handarbeit durch eine große Zahl menschlicher Arbeitskräfte. In Frankreich hatten wir Gelegenheit, die Ziegelproduktion unter personalintensivem Einsatz, mit aber bereits maschineller Hilfe durch Mischer und Strangpresse und bei einer industriell geplanten Logistik der Abläufe filmisch zu begleiten. Unser Augenmerk richtet sich nun auf das Höchstmaß industrieller Effizienz. Sehr gerne würden wir zeigen, dass mithilfe von Maschinen und Know-How eine annähernde Vollautomatisierung bei der Herstellung von Ziegeln, wie auch bei der Wandelemente-Fertigung möglich ist. Über die Produktion hinaus wollen wir das Verbauen der Ziegel zu sehen geben – gewissermaßen dem Weg der gefertigten Ziegel folgend. Dabei interessieren wir uns sowohl fürs Setzen vorgefertigter Wandelemente, als auch für das Mauern der einzelnen Ziegel auf der Baustelle.
Im Zuge der Recherchen stießen wir auf die beiden Forschungsprojekte Rocco und Bronco, mit denen in den Neunziger Jahren der Versuch unternommen wurde, Roboter auf Baustellen zum Einsatz zu bringen, die – den programmierten Bauplänen folgend – Ziegelsteine greifen, Mörtel auftragen und die Steine setzen. Die Geräte kamen, trotz erfolgreicher Entwicklung und voller Funktionstüchtigkeit, mangels Wirtschaftlichkeit nie zum Einsatz bzw. zur Serienfertigung. Nach wie vor wird der weit größte Teil der Ziegel von Hand verbaut. Sehr gerne wollen wir diese traditionelle Arbeitsweise zeigen und wünschen uns eine Darstellung – nahezu analog dem fulminanten Großbauwerk eines Ameisenhaufens, unter Einsatz unzähliger Kräfte. Wir hatten z.B. von einer vor ein paar Jahren existenten Großbaustelle eines mittlerweile bereits fertig gestellten Kanals in Indien erfahren, dessen Bett in Ziegel gelegt wurde. Es waren Hunderttausende dort beschäftigt.
Darf ich mich mit folgenden Fragen an Sie wenden:
1. Können Sie uns ein Ziegelwerk, möglichst in Deutschland, empfehlen, das auf höchstem technischen Niveau produziert?
2. Ist Ihnen ein mustergültiges Werk zur Ziegel-Wandelemente-Fertigung in Europa bekannt?
3. Welche der von Ihnen ausgestatteten Werke im Ausland können Sie im Hinblick auf die Ziegelherstellung, vor allem aber auch auf das Verbauen in großem Stil, empfehlen?
Unsere Vorstellung ist, dass wahrscheinlich in jenen Ländern mit niedrigem Lohnniveau personalintensiv gebaut wird.
Da wir auf hochempfindlichem Filmmaterial drehen, würden die Dreharbeiten ohne zusätzliches Filmlicht erfolgen. Wir arbeiten in einem Team von drei Personen (Regie, Kamera, Ton) und können zusichern, die Abläufe nicht zu stören.“
O. ist jene große Firma, die Maschinen für die Ziegel-Industrie herstellt. Der Vertriebsleiter, W., dozierte ausführlich, daß sich Ziegel aus unterschiedlichen Verhältnissen keramischer Mineralien zusammensetzen und bestätigte mir, dass diese Zusammensetzung an den jeweils in der Region vorhandenen Rohstoffen orientiert ist. In Ägypten habe man lange die von den üblichen Nil-Überschwemmungen angelagerten Sedimente zur Verziegelung genutzt und damit den landwirtschaftlichen Flächen Nährstoffe entzogen. Als eine Ziegelfertigung in industriellem Maßstab aufgezogen wurde, experimentierte man daher mit Erden aus der Wüste, die jedoch zu salzhaltig waren und die Ziegel spröde werden bzw. korrodieren ließen. In Saudi-Arabien träfen moderne Lehmziegelbauten auf heute noch traditionell errichtete Lehmhochbauten. Ziegel seien in den heißen Regionen beliebt, weil ihr Dämmwert gut gegen die Hitze sei.
Ich habe W. erläutert, dass wir den Zusammenhang zwischen Hausbauten einer Region und den aus der unmittelbaren Umgebung gewonnen Rohstoffen des Bauens, im Besonderen am Übergang von der einfachsten Form des befestigten Hausbaus, Lehmbauweise mit Stampflehm, zur industriellen veranschaulichen wollen.
Ich habe endlich mal wieder die Indien- und Leers-Bilder angeschaut/bearbeitet und bin sehr angetan. Nach dem nächsten Dreh in Deutschland sollten wir weiter sehen. Ich fürchte mich – großes Wort – vor dem Motiv „Fertigteile werden montiert“, das sieht meistens blöd aus. Die fast automatische Produktion und die Halle, von der Du gestern gesprochen, das wären tolle Sachen. Aber es fehlt noch der Paukenschlag zum Schluss, die Riesenbaustelle mit Ziegeln muss einfach so aussehen wie „Intolerance“.
Ich bekam die Kunden-Verbindungen der Hightech-Ziegelmaschinen-Hersteller in Spanien, China und Iran. Nun muss ich in Erfahrung bringen, welche Ziegelei an welche Großkunden liefert, um auf diese Weise an „Intolerance“ heranzukommen.
Die Connections zu Saudi-Arabien und Algerien stehen. Die Recherchen führen auch nach Nord-Korea oder Aserbaidschan. Nicht mal die Latinos wollen mehr Ziegel; entweder Wellblech oder Beton mit Glas. Pakistan und Irak wären auch ‚was. Du siehst – die Badehose sollte kugelsicher sein.
Natürlich führen wir auch nach Saudi-Arabien, aber dort, wie in Algerien, sprengen leider doch immer wieder Islamowitschs Ausländer in die Luft. Gibt es nicht ‚was in netteren Ländern, etwa Ägypten?
ÄGYPTEN
Der Mann schreibt zurück: „Ich fürchte, Sie werden auch in Ägypten nicht wirklich weiter kommen. Soweit mir aus meiner mehrjährigen Arbeit hier bekannt, gibt es Ziegeleien nur in kleinerem, sehr handwerklichen Rahmen auf dem Land. Und selbst dort wird dieses alte Handwerk schon mit aller Macht durch den Baustoff verdrängt, aus dem die Träume der dritten Welt gewebt werden: Beton. Selbstverständlich werden in Ägypten in großem Umfang Ziegel – und zwar in der Regel rote gebrannte Ziegel – verwendet. Eigentlich ist das ganze Land eine riesige Baustelle, wobei allerdings unzählige kleine und kleinste Bauunternehmer oder Familien am Werk sind, welche die Häuser vielfach in einer Nachtschicht hinstellen. Das ist oft notwendig, weil häufig illegal gebaut oder angebaut wird, in der Regel also ohne Baugenehmigung. Im Gegensatz dazu werden Wohnsilos, Fabriken etc. von größeren Bauunternehmen mit Zement und Stahlbeton, wie überall sonst in der Welt errichtet. Die traditionelle Lehmbauweise wird nur mehr in Ausnahmefällen verwendet, dies nachdem die Regierung die Verwendung von Nil-Schlamm zur Erzeugung von solchen Ziegeln untersagt hat.“ Ich habe zurückgeschrieben: „Ich fände natürlich großartig, wenn es gelingen könnte, an einer ‚Nachtbaustelle‘ drehen zu können. Dies wäre eine verblüffende Entsprechung zu dem Vorgehen, dessen Vorzüge ja in Europa angepriesen werden: Alles wird daran gesetzt, die Bauzeiten zu verkürzen – z.B. mithilfe von bereits in Fabriken vorgefertigten Mauern. Und nun ließe sich – wie in einem Exkurs – zeigen, daß in Ägypten ebenso schnell gebaut wird – aus anderen Gründen (Fakten schaffen) und mit anderen Mitteln (das Mauern erfolgt ja sicher von Hand durch eine Horde von Fleißigen).
Klingt gut, aber ich fürchte doch, dass sich das Besondere: Haus in einer Nacht, nicht unbedingt mitteilt. Die Straubs mussten beim Drehen zwei Staatspolizisten dabei haben, als sie „Zu früh, zu spät“ drehten. Die Burschen kamen bei den Kreisschwenks ins Bild und werden im Abspann als Regie-Assistenten geführt.
J. ELEMENTBAU GMBH
Bei J. gibt es drei Themen: Ziegelei, Wandwerke und Baustelle, die wir in einem Rutsch drehen könnten: Ziegel werden gefertigt, auf eine Palette gepackt; genau diese Palette wird der Wandelemente-Fertigung zugeführt; genau die aus jenen Ziegeln vorgefertigte Wand wird zur Baustelle gebracht und montiert.
So könnten wir die Berufsethosfahne ganz weit oben schwingen.
Es ist auch sehr die Frage, ob wir das Einbauen von Ziegelfertigwänden drehen sollten, bevor wir eine große Fabrik gefilmt haben, die das produziert. Dass bei J. auch von Maurern gefertigt wird, ist ziemlich toll. Es wäre ja zu erwägen, erst J. zu montieren und dann B.. Dann kommt die Montage auf den Baustellen, da wäre die Sache in Düsseldorf zu schnelle. So was wie am Potsdamer Platz: wenn die vorgefertigten Wände hochgezogen werden, sieht es ja nach was aus. Ich denke aber, wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, es hilft nichts, eine Montage zu drehen, die dann nicht zum Übrigen passt. Ich bitte Dich, hinzufahren und Dir das Werk anzusehen.
Wenngleich ich das Thema Ziegel-Herstellung gar nicht mehr verfolgen wollte, da wir ja bereits bei G. Entsprechendes gedreht hatten, fand ich es doch nicht schlecht, die J.’sche Ziegelei zwangsgezeigt zu bekommen. Sie hat m.E. deutlich mehr von „Metropolis“ als jene von G..
Die Anlage zur Produktion der Ziegel ist kreisförmig eingerichtet. Aus dem Sumpfhaus führt das Band den Lehm in die Mischanlage, wird mit Spritzwasser oder heißem Dampf befeuchtet und durch den Mischer gepresst. Der aufbereitete Ton wird durch die Mundstücke der Strangpresse geführt und geschnitten – jeweils zwei Ziegel auf einmal. Sie werden gedreht und auf dem Band an die Aufstapelungsanlage geführt. Dort werden die feuchten Steine mit einem Lift in Regale verfrachtet. Wenn ein Regal voll ist, setzt ein Palettierer die gesamte Regalhöhe mit einer Drehung um in einen Wagen. Der Wagen läuft in die Trocknungsanlage, die sich im Hin- und Rücklauf über die gesamte Hallenlänge von 2 x 160 Meter erstreckt. Die durch die Trocknung helleren Steine werden einer Umsetz-Anlage zugeführt und in Ofenwägen gestapelt. Sie verlassen die Produktionshalle auf Schienen und kutschieren ins Nebengebäude zum Ofen. Die Waggons mit den ungebrannten Steinen fahren in den Ofen. Die ganze Szenerie hat Güterzug-Dimension. An den Brand schließt sich die Verpackungsanlage an. Die Plastikhauben werden mit einem Gebläse aufgefaltet und auf Volumen gehalten, um sie über die Palette zu ziehen.
GERUMPELTE ZIEGEL
Ziegel werden nach dem Brennen, zusammen mit Steinen, in eine riesige Trommel geworfen. Diese Trommel rotiert, und die Ziegel erhalten Schrammen und Schürfungen, die den gewünschten Antik-Look abgeben. Der Vorgang – bei Jeans: ’stone-washed‘ – heißt trefflich „Rumpeln“, die Ziegel werden als „gerumpelte Ziegel“ bezeichnet.
ZIEGELSPLITTER
Wir hatten vor etlicher Zeit einmal das Thema erörtert, ohne daß wir eine ‚abschließende Entscheidung‘ getroffen hätten. Ich will es noch mal auftischen, weil ich darin eine schöne Perversion sehe: Ziegel-Recycling. Abriss von Häusern aus Ziegeln: Der Mauerwerksbruch wird in große Anlagen gekippt und zermahlen, z.B. Rubblemaster. Hier gibt es sogar Fließbandarbeit, wie wir sie beim Altpapier für „Ausweg“ gedreht hatten: Männer stehen an Förderbändern und sortieren von Hand Störstoffe aus (Metalle, Mörtel). Meistens wird das resultierende Granulat für Wegebau, Verfüllung, Dammbau, Tennisplätze verwendet. Ich mag mir Einstellungen vorstellen von neu anzulegenden Privatspielfeldern in Potsdam, roter Ziegelsplitt vor grünem Pinienhain, wenn der LKW seine Ladung abkippt und drei Männer mit breiten Rechen das Material verteilen.
Das Ziegel-Kleinmahlen kommt mir nicht passend vor. Wenn es uns in Indien oder Ägypten gelingt, Leute zu drehen, die Ziegel herausklauben aus alten Gebäuden, dann ist das etwas anderes. So aber kommt es mir vor wie falsche Vollständigkeit.
VERBLENDKLINKER, VORHANGFASSADE
Du interessiertest Dich für die vorgefertigten Ziegelfassaden – wie sie z.B. dem Kollhoff-Kasten am Potsdamer Platz angeklebt sind. Nach ein wenig Sucherei bin ich wieder auf die Firma im belgischen Mouscron, nahe unseres schonmaligen Wirkungsgebietes von „Gegen-Musik“, gestoßen, welche just die Fassade für das Bürogebäude am Potsdamer Platz von Hans Friedrich Kollhoff gezimmert hat – offenbar mehr schlecht als recht. Du weißt ja sicher vom skandalösen Verfall bzw. Hinunterfall der Klinkerelemente und der Einrüstung des Hauses nur ein paar Jährlein nach seiner Errichtung. Die Klinker selbst entstammen tollerweise einem Torfbrand-Werk in Wittmund, das in frühindustrieller Manier nicht viel anders zu produzieren scheint, als die Marokkaner in Leers. Interessiert Dich vor allem das Setzen einer Vorhangfassade aus Ziegel oder Verblendklinkern oder juckt Dich eher die Herstellung solcher Fertigelemente – oder möglichst beides?
Bei den Ziegeltapeten möchte ich sowohl in der Ziegeltapetenfabrik drehen als auch beim Anbringen solcher, denn so bekommt man beiläufig den Baustoff Beton zu sehen.
Ich fand eine Sache, die das berühmte Pünktchen auf dem i sein könnte. Ich finde, wir sollten doch auch mal tief in die bundesdeutschen Niederungen gehen. Guck Dir dieses Häuslein aus der Referenzliste an, das jede Oma stolz machen würde. Eine Augenweide ist auch dieser Wohnwagen im Klinker-Look.
Es handelt sich um Vorhangfassaden aus geprägtem Kunststoff in bunter Farbpalette. Ich stelle mir vor, daß – analog dem bisherigen Vorgehen – wir sowohl die Herstellung dieser Fake-Platten, als auch die Bastelarbeit eines Häuslebauers aufnehmen könnten. Das Motiv läge gewissermaßen auf halber Strecke zu Toyota-Home, die ja auch solche Elemente anbieten.
Es kann natürlich sein, dass das zu deprimierend aussieht. Vor allem Ingo wird beim Drehen sauer. Aber wenn die Fabrik recht groß ist, und die Baustelle nicht ein Wohnwagen, sondern eine Siedlung oder ganze Wohnblöcke, sollten wir es versuchen!
„die von Ihnen gesuchte Adresse der russischen Firma, die eine von uns entwickelte und hergestellte Lackieranlage zur Beschichtung von Polypropylen-Fassadenelementen in Ziegeloptik einsetzt, lautet wie folgt“
Die Hersteller stellen sich an – sie machen allesamt auf allerhöchste Geheimhaltung. Wir wissen ja nun, dass es dann meist derart primitiv zugeht, dass Scham der Grund für die Ziererei ist. Die Bilder, die ich Dir sandte, stammen von einer Anlage, die in Deutschland gebaut wurde – aber für eine Fabrik in Russland. Dort wird produziert und dort ist auch der Absatz-Markt. Aber es gibt auch eine in Deutschland. Dieses Unternehmen (bei Enschede) brüstet sich mit einer vollautomatisierten Produktionsanlage; sie stellen die Klinker-Paneele aus Fiberglas her – „seit Jahren bewährt im Schiffs- und Flugzeubau“.
Ein Mann, der sich nicht anstellte und uns in seiner Garagenfabrik drehen lassen würde, wäre jener, der eine ganz primitive Variante an falschen Klinkern herstellt. Auf eine Unterlage aus PVC wird ein Rahmen-Gitter aufgelegt. Dorthinein spachteln die Arbeiter den – nach Kundenwunsch gefärbten – Verputz; das Gitter wird abgenommen; fertig ist das Klinker-Element. Ich finde das so schön dreist und simpel, daß ich denke, es könnte zu der Lehmziegel-Herstellung von Burkina Faso in Konkurrenz treten.
Die manuelle Spachtel-Sache ist zu läppisch.
Nach meinem Hinweis auf die Plastik-Klinker-Tapeten – mit großem Fragezeichen, ob denn dies nicht zu weit führe – hast Du sinngemäß geantwortet, daß das deprimierende Motiv in Frage kommen könnte, wenn die Fabrik fett und es ein umfangreicheres Bauvorhaben sei, an dem solche Elemente montiert werden. Ich finde das Motiv nur interessant als Perversion. Die Haut des Hauses soll nach etwas aussehen, was es nicht ist: ein Klinkerdings. Die Ziegelsteine sind nur noch als Bild vorhanden. Und das Verbauen wird gemacht wie das Herstellen einer Landschaft für Märklin-Eisenbahnen. Ich stelle mir vor – keinesfalls natürlich soll das ein Filmschnitt-Vorschlag sein, lediglich eine gedankliche Verknüpfung, die ich habe – wie das Bauen der Gesundheitsstation in Burkina Faso und das Anschrauben der Plastikplatten durch einen Mann im weißen Overall – alleine schon der hohle Ton der klappernden Elemente – sich befruchten. Unterm Aspekt der Arbeit ist natürlich deutlich und gilt es als beworbener Produkt-Vorzug der Vorhangfassaden-Platten, wie schnell ein oder zwei Männer ein Haus zur Klinker-Villa verkleiden. Das Material, das so tut, als wäre es Tonerde – Vinyl, Polypropylen – ist ja sowieso noch immer und wieder DAS Industrie-Material. Der Herstellungsprozess gleicht eher dem Bilder-Tiefdruck, wenn z.B. Schablonen aufgelegt werden, als dem Überführen eines organischen Materials in einen anderen Aggregat-Zustand.
Die Bilder gefallen mir, das sieht ja so aus, als käme das vorindustrielle Elend hier wieder an, nachdem das industrielle um die Welt tobt. Wir müssen das nur nicht gleich drehen, vielleicht als etwas Zusätzliches. Ob das Anbringen am Haus auch nötig ist – ich weiß noch nicht.
AUTOMATISIERTE WANDVORFERTIGUNG
Bei Z. handelt es sich um eine reine Wandelemente-Fertigung – ohne Ziegelproduktion. Die Betreiber sind Senior und Junior. Der Meister, der mich vom Bahnhof abholte, erzählte über den Senior. Er sei Architekt und Bauunternehmer, habe sodann begonnen, zu den Serienhäusern, die er entwarf, die Bauleitung zu übernehmen und schließlich auch, die Wände zu fertigen. Der Senior erzählte mir über den Junior, der die neue Fabrik leitet. Dieser habe die Maurer-Lehre gemacht, dann den Meister, habe jahrelang auf dem Bau gearbeitet, sodann ein Fachabitur gemacht und das Bauingenieurs-Studium mit einer Diplomarbeit über Wandvorfertigung absolviert – das ausgeforschte Konzept setze er nun um. Der Maschinenhersteller, O., mit dem meine Recherchen begannen, kooperiert. Z. und O. haben ganz neue Maschinen entwickelt und Subventionsgelder der Landesregierung bekommen, wie sie auf meine Nachfrage stumm nickend bestätigen. Zwischendrin habe er, der Junior, ein paar gute Jahre bei der Wehrmacht – so der Senior – verbracht. Nun studiere der Junior im Zweitfach Volkswirtschaft. Ganz in Schwung geraten erzählt er auch, die Tochter sei Juristin bei einer Frankfurter Großbank, deren Mann Richter. Die Oma brachte mittags Sauerkraut mit Fleischpflanzerln und Kaffee für alle in der Fabrik. Der Junior-Chef ruft durch die Halle: „Papi, pass auf, da is‘ ne Lichtschranke!“ Die Halle liegt in einem Gewerbegebiet neben der Autobahn, wo es MacDonalds, eine Holzbaufirma und einen Riesenparkplatz zur Umschichtung von Leasingfahrzeugen hat und sonst gar nix. Der Junior wusste Bescheid über meine Recherchen, wusste, dass ich zu J. fahre, kannte das F.-Werk en detail, ein Fachmann oder muss ich sagen -männchen – klein und dick, besessen von der Ziegelwandvorfertigung und extrem ehrgeizig. Du musst wissen, im Hinblick auf die Videos, dass es nur Probetrieb war. Die Roboter z.B. laufen nur mit 40%, können also viel schneller. Die Z.’s sagten mir, dass derjenige Arbeiter, der die Wände manuell saubermache und Fensterstürze einsetze, nicht mithalten könne mit der automatischen Fertigung. Sie haben große Aufträge, die Maschinen waren teuer, müssen sich nun amortisieren.
Z. ist ja wohl ein Hammer!
INSTITUT FÜR ZIEGELFORSCHUNG ESSEN
Heute, nach dem üblichen Schriftenvorlauf, habe ich mir vom Ziegeldoktor K. schildern lassen können, welches Wesen die Essener Forscher mit unseren lieben Ziegeln treiben. Etliche der Laborversuche sind mikroskopischer, chemischer Natur, die Zusammensetzung der Rohstoffe betreffend. Folgende Aspekte könnten jedoch in Frage kommen; nun mögest Du sagen, was Dich reizt.
Druckfestigkeit: Ebenso wie Einzelsteine werden auch ganze aufgemauerte Wände auf Druckfestigkeit geprüft. Dr. K. schilderte, dass gemessen wird, wie viel Kraft eine Wand bis zu ihrem Versagen aufnimmt, wenn die Stege innerhalb des Hohlziegels brechen. Es passiere oft, dass sie eine Wand in Schutt und Asche legen.
Windfestigkeit Dachziegel: Zur Prüfung des Abhebe-Widerstandes von Dachziegeln – ob sie dem Sturm ausreichend lange trotzen können – wird ein Dachstück im Labor eingedeckt. Es gibt nicht etwa einen Windkanal mit Orkangebläse, sondern ein Seilgehänge aus 16 Schnüren wird in 16 Dachpfannen eingehängt. Mit einer Hydraulik, an welcher der Druck bzw. Zug abgelesen wird, betreibt man das Marionettenspiel, bis die Dachziegel abheben.
Nachdem ich schon mehr als 10 Minuten zusammen geschnitten habe, bin ich nicht sicher, ob wir die Essener (klingt nach Bibel) noch brauchen. Drum nicht eilen und drängen, der Fall löst sich bald, wohl in der nächsten Woche.
Sei bedankt für die Auskunft bzgl. der Bibelforscher (genau, wenn man spricht: „Ässehna“ klingt’s nach Heiligem Land). Prima, wir warten einfach ab, was Dein Schnitt uns diktiert und ob die geordnete Ziegelzerstörung nicht doch noch einen Platz findet.
MAUREREWETTBEWERB
Vielleicht nicht nur in den USA gibt es Maurerwettbewerbe von Lehrlingen. Überhaupt kam mir im Gedanken an „Le Fils“ in den Sinn, ob es nicht verlohnen könnte, in Maurer-Berufsschulen zu sondieren. Vielleicht gibt es labor-artige Szenen mit Ziegelsteinen.
Ich glaube, das ist nicht das, was fehlt, das ist zu laborhaft.
BUNDESVERBAND KALKSANDSTEININDUSTRIE E.V.
Ich stieß auf einen neuen Sektor, Bauen mit Kalksandstein. Im Grunde ähnelt dieser Baustoff der Tonerde bzw. der Ziegel-Herstellung. Ich würde Dich nicht mit diesem abseitigen Thema belästigen – gäbe es nicht die Besonderheit, dass die Steine in großen Formaten hergestellt werden, die sodann mit Versetzwerkzeugen – kleinen Kränen – verbaut werden, ähnlich wie wir sie bei J. in der Wandvorfertigung sahen. Außerdem gibt es das Bauverfahren, Steine im Werk vorzukonfektionieren, bis hin zum Schrägschnitt für die Giebel. Das Haus kommt dann als Steinbausatz auf Paletten. Ziemlich chic ist das Weiß, finde ich – das Bauen en-plein-air wird plötzlich modellhaft sauber. Nun bin ich eingeladen, am Dienstag Nachmittag bei einer Versammlung der Kalksandstein-Menschen in München vorzusprechen – falls wir etwas drehen wollen. Findest Du es interessant, einen zum Ziegel abweichenden und zugleich ähnlichen Baustoff hinzuzunehmen? Juckt Dich das Versetz-Instrumentarium? Soll ich vorsprechen, um die Türen für einen evtl. Dreh zu öffnen?
Kalksandstein führt von der Fährte ab, denke ich.
„Sehr geehrter Herr S.,
soeben habe ich mit Harun Farocki die Erörterung zu unserem weiteren Vorgehen anstellen können. Es haben sich bei uns gehörige Zweifel eingestellt, ob wir unser Ansinnen verfolgen sollen. Die für sich genommen spannende Herstellung des Baustoffes Kalksandstein und der Baustoff selbst sind ganz eigenständig, zugleich aber doch im Verfahren dem Ziegel zu ähnlich.“
„Ich muss Sie leider berichtigen. Das Herstellverfahren ist völlig unterschiedlich! Die Eigenschaften der Mauersteine ebenso. Kalksandsteine werden im Dampf gehärtet (bei ca. 200 °C). Ziegel werden gebrannt (bei ca. 1.000 °C). Lehmziegel werden in der Sonne getrocknet. Das Herstellverfahren ist daher in keinem Fall miteinander vergleichbar.“
„Sehr geehrter Herr S.,
selbstverständlich handelt es sich beim Kalksandstein um ein eigenständiges Verfahren und Produkt! Dennoch sind es – wie beim Ziegel – aus der Erde gewonnene organische Sedimente, die durch Wasser und Wärme zur Reaktion gebracht werden und schließlich in Form von modularen Quadersteinen zum Hausbau eingesetzt werden können. Unsere vage Vorstellung richtete sich ja auf eine – sodann z.B. abweichend zum Ziegel – Möglichkeit der Vorfertigung von Wänden oder des Versetzens großflächiger Steine. Jedoch haben wir die Versetzinstrumente (Kleinkran, drei Steine auf einmal) bereits kennengelernt und auch gedreht. Ich bitte Sie um Verständnis für unsere Entscheidung.“
Prima, dass Du gleich entschieden hast. Ich habe nun die Sache abgeblasen. Abgesehen vom schönen Weiß finde ich den Baustoff in der Herstellung und beim Verbauen dem Ziegel doch viel zu ähnlich.
„Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V.
An
Kulturstiftung des Bundes
Dokumentarfilm mit dem Arbeitstitel „Häuser“
Sehr geehrte Damen und Herren,
durch den als Anlage beigefügten Schriftverkehr erhielten wir Kenntnis davon, dass die Firma Harun Farocki Filmproduktion durch die tatsächlichen Verhältnisse im Bereich Mauerwerksbau angeregt wurde, nicht nur das Produkt, „Ziegel“ zu dokumentieren. Wir begrüßen dies und wollen, dass neben einer guten Dokumentation des geschichtlichen Bauens und der heutigen Bauweise unbedingt auch erforderlich ist, einen Ausblick in die zukünftige (industrielle) Fertigungsweise zu geben. Wir hatten dazu kurzfristig einen Termin in München organisiert. Der Termin wurde leider nicht wahrgenommen. Wir hatten den Eindruck – aus uns nicht nachvollziehbaren Gründen – dass sich die Produktion nun doch nur auf das Produkt „Ziegel“ beschränken soll. Wir treten nun an Sie als fördernde Stelle – sehr geehrte Damen und Herren – mit dem Vorschlag heran, die Erweiterung des Dokumentarfilms ernsthaft anzustoßen. Zum Beispiel ist der Marktanteil an Ziegelbauweise in Deutschland zur Zeit lediglich 44%. Das heißt, mehrheitlich wird mit anderen Baustoffen gebaut. Gerade das Bauen mit Kalksandstein und den entsprechenden Konstruktionen ist eine Alternative zur Ziegelkonstruktion. Diese Bauweise wird insbesondere den Meseberger Beschlüssen der Bundesregierung gerecht. Ohne die Darstellung zukunftsweisender Alternativen zur Bauweise mit Ziegel halten wir das Thema des vorgesehenen Dokumentarfilms für verfehlt. Wir bitten Sie, unserer Anregung zu folgen.“
Das ist endlich mal zum Totlachen, das war in den 1980iger Jahren üblich, da schrieben die Verbände stets ans Fernsehen. Ganze Waschkörbe kamen, als ich einen Management-Trainer zeigte, da schrieben die Verbände, das wäre nicht repräsentativ, es gäbe doch ganz andere bei ihnen, außerdem: der Film habe keinen Kommentar, da wisse man nicht, was man von der Sache überhaupt denken solle. Das hat mit dem Privatfernsehen aufgehört, eigentlich.
ABSTRAKTION
Im Zuge der Roboter-Recherchen erfuhr ich, dass praktisch nie eine 100%ige Automatisierung in der Herstellung von Produkten zu finden sei. Es gebe das 80-zu-20-Gesetz: Die letzten 20% der Herstellung zu automatisieren sei so teuer, wie die bereits automatisierten 80%, weshalb – beliebte Formulierung: sich die Sache nicht rechne. Selbst wenn es ein tolles Roboter-Ballett gäbe – Abstraktion menschlicher Arbeit – hege ich insofern Zweifel, als ich befürchte, dass die Erkennbarkeit des produzierten Gegenstandes nicht deutlich wird.
Vom ewigen Aufschieben und halbherzigem Bearbeiten ist das Material von „Haus“ schwer stigmatisiert. In den letzten Tagen konnte ich mich mal damit beschäftigen und wachte darum heute um 5 auf, was ich als gutes Zeichen las: die Sache mobilisiert mich. Ich versuche es mal anders und stelle gerade lauter kleine Episoden zusammen: 1. Krankenstation in Gando, 2. Brickfield und Baustelle in Mumbai und so weiter. Diese Episoden werden mit kurzen Zwischentiteln kommentiert. Diese andere Montage mit den Querbezügen ödet mich an. Ist aber riskant: Ist es nicht so dass G‘.s Film daran leidet, dass die Szenen zu additiv sind? (Gefällt mir eigentlich gut, schrilles Thema, provokativ im Aufwand, kunstvoll unordentlich.) Aber es kann auch sein, dass unser Material so aufgenommen ist, dass man es kaum anders verwenden kann, und dass sich so was nach 25 Minuten verbraucht. Vielleicht müsste etwas anderes hinzukommen. Etwas Paralleles. Aber was?
Ich schwanke stets zwischen Sympathien für den Purismus und einem gefühlten Plädoyer für die in der Natur der Sache liegenden Möglichkeiten, in der Film-Montage Disparates zu verknüpfen. Im Sinne Deiner neulich beim Drehen in F. angestellten Überlegung, die Ziegel- oder Wandherstellung, die wir niemals gänzlich im paradiesischen Zustand der Selbsttätigkeit von Maschinen antrafen, um einen elaborierten Vorgang in ganz anderem Felde zu ergänzen, fällt mir ein: Wie wäre es, wenn dem Bauen mit Ziegeln das Schreiben zugesellt wird? Es gibt vielfältige Formen des Schreibens: Das kindliche Mühen um die Bögen und Linien und darum, die Zeichen sich eigen zu machen, das Basale des mächtigen Kulturgutes; das zweckhafte Notieren und Protokollieren; die Schreibmaschinen im weitesten Sinne; die Spracherkennung (die Du Dir ja schon früh vorgenommen hattest), welche ins automatisiert Geschriebene überführt; die Kalligraphie; die Platzierung von Lettern auf dem Blattraum. Ich finde auch das Layout der Zeichen, die Typografie – den Makro-Aspekt also – reichlich interessant. Noch nie habe ich anständige Kamera-Einstellungen gesehen, die das zeigen.
Warten wir R. ab, das scheint mir besser zu sein – kein Sujetwechsel.
R. BETON BAUSTOFFWERKE GMBH
Ich danke für die Darstellung! Die Beschreibungen und die Bilder sind sehr eindrucksvoll, sogar ein Hauch von Tati ist drin, und man muss sich gleich fragen, ob man nun zentralperspektivisch aufnimmt oder Schrägen einbaut. Auch die geisterhaft verhuschten Personen gefallen mir. Zweifel habe ich, ob wir nach 100 Jahren jetzt mit der Betonrevolution ankommen können, es kommt mir so vor, als würden wir umständlich erklären, warum die Eisenbahn irgendwie schneller ist als die Pferdekutsche. Dass die Fabrik nun ganze Elemente so fertigt, wie zuvor Steine, darin wird natürlich schon etwas deutlich. Außerdem, die Fabrik ist so avanciert, wie wir uns Toyota wünschen, so hätten wir eine ganze Reihe von Entwicklungsstufen der Fertigteil-Entwicklung. Ob wir nochmals eine Baustelle brauchen? Ich glaube nicht. Ich bin also sehr dafür, dass Du Dir die Sache genauer anschaust.
Bei meinem Besuch im Allgäu am Montag schwankte ich zwischen Skepsis, Begeisterung, Langeweile und landete wieder bei der Skepsis. Als ich jedoch am Dienstag Morgen erwachte und überlegte, was ich Dir nun alles schreiben werde, war ich doch sehr angetan. Das Tollste fand ich, daß die Tonne mit dem Beton, die aussieht wie die Bombe von Hiroshima, hinter großer Glasscheibe am Chefzimmer vorbeieiert – so dass er ganz direkt kontrollieren kann, ob seine Leute und Roboter auch schön arbeiten. Deutlich mitzuteilen ist, dass sämtliche Kräne, welche z.B. Stahlgitter senken oder die fertigen Betonelemente aufstapeln und auch der mit einem Dieselmotor betriebene Wagen, der die fertigen Teile auf Schienen aus der Halle fährt, manuell mit vor dem Bauch getragener Fernsteuerung bedient werden – nix Vollautomatik.
Ich habe auch Zweifel an der Sache mit dem Beton. Beton einzuführen hätte doch nur Sinn, wenn der deutlich schneller läuft als die Fertigwandproduktion. Entweder also Toyota oder eben die 3-D-Druckerei.
In den letzten Monaten bin ich nicht dazu gekommen, mich mit dem Material zu beschäftigen. Ich habe nicht einmal den Ton des letzten Drehs angelegt. Es ist auch ganz gut, eine kleine Distanz zu gewinnen oder wenigstens zu erhoffen. Zuvor war das Material für mich viel zu determiniert, ich konnte keine andere Darstellungsmöglichkeit mir vorstellen, als die schon einmal gewählte. Das Problem ist, dass ich etwas im Trüben fische.
Vor allem aber möchte ich Dich ermuntern, mich wissen zu lassen, wie sich die Zahmheit des Materials und Dein Unwohlsein mit den derzeitigen Fassungen beheben ließen. Wenn Du Fehlstellen ausmachst und mir also beschreiben kannst, was Du gerne hättest, hänge ich mich noch mal rein, um nach Möglichkeiten zu suchen und zu finden, was Du brauchst. Nicht zuletzt war das ja unsere letzte Vereinbarung bzgl. „Häuser“: Du guckst mal, was beim Stand des Materials, das wir bislang gedreht hatten, geht. Wenn sich das nun als nicht ausreichend erweist sehen wir weiter. Dieser Zeitpunkt scheint nun gekommen zu sein, oder?
DACHZIEGEL
Also, die Dachziegelfertigung ist doch toll! Kein komplizierter Vergleich, eigentlich das gleiche wie unser Hauptgegenstand. Eignet sich doch hervorragend für die Argumentation: „In Fabriken kriegt man eine Wegrationalisierung hin, auf dem Bau gibt es die große Serie nicht. Deshalb …“ Aber vielleicht kommen wir ja noch auf anderes. Ich denke, es müsste eine Montage sein, wo bald dieser, bald jener Roboterarm zugreift, wenn das nacheinander geschieht, wäre es nicht schlimm. Natürlich nicht so großräumig wie bei MAN.
Obendrein ist es einfach eine prima Fügung, daß derselbe Stoff, um den wir kreisen – Tonerde und der gesamte Verarbeitungsvorgang – praktisch identisch ist bei der Dachziegel-Herstellung – jedoch geht es ums Dächlein fürs Haus.
Der Schwerpunkt unseres Interesses – so wie ich es verstanden habe – liegt in diesem Falle eben auf der Roboterisierung. Folgende Fragen an Dich: Kannst Du mit Sicherheit ausschließen, z.B. auch aus ökonomischen Gründen, weil wir bereits ausführlich dazu gedreht haben und Du voll und ganz zufrieden bist mit dem Material, daß Tonabbau in der Grube, Kollergang, Strangpresse, Brennofen etc. definitiv wegfallen und wir das nicht mehr drehen, oder soll ich auch diese Herstellungs-Abschnitte ansehen, Bilder/Videos machen, weil die Darstellung dieser Themen vielleicht noch besser/eindrucksvoller sein könnte?
Bitte sieh die Lehm-Anlagen auch an, vielleicht sind die besser als in Dachau, und außerdem ist Repetition manchmal gut.
Im Jeep fährt er mich zum Roten Berg. Das ist das Abraumgebiet für die Ton-Erde. Wir durchqueren auf schwer erodiertem Weg einen Kirschbaumhain aus 68 Bäumen, in den Sechzigern angelegt, das ganze Gelände aufgelassen, Wildwuchs, Biotop. T. fordert auf, sommers zu kommen und zu ernten. Von der oberen Kante der Halde schauen wir in die schon 70 Meter tiefe Grube, aus der terrassenförmig abgetragen wird. Zwei Leute arbeiten dort. Der eine passt auf den anderen auf. Der Werksleiter möchte nicht abends einen Anruf von der Grubenarbeitersgattin bekommen, ihr Mann sei nicht nach Hause gekommen. Ein Schaufelradbagger – wie beim Braunkohle-Tagebergbau, nur nicht ganz so riesig, aber dennoch gewaltig, frisst sich schwenkend und fahrend dem Flöz entlang und trägt die Tonerde ab. Das Förderband verläuft über 2,8 Kilometer bis ins Werk, tunnelartig überbaut mit Wellblech, was schade ist, denn der Wurm schlängelt sich wie ein Viadukt durch die heute nebelverhangene mittelthüringische Landschaft. Zwar also ist keine Bewegung zu sehen, evtl. wäre es jedoch eine Einstellung wert, denke ich, in der der schöne dumpf rumpelnde Koller-Ton des Förderbandes musizieren darf (sagt Dein Tonmann). Ich finde die Tongrube erheblich eindrucksvoller, als jene in Dachau. Es handelt sich um eine auf Anhieb sichtbare Systematik in der Rohstoffgewinnung. Dachau war dagegen eher ein aufgewühltes Loch. Die Aufbereitung des Rohstoffes ist vergleichbar mit der Dachauer Anlage. Verfluchterweise sind die Hallen verdammt dunkel – jedenfalls an trüben Tagen. Die Oberlichter geben jedoch ein tolles, verrätseltes Licht auf der feucht glänzenden Masse – wenn wir es gut einzurichten wissen in Bezug auf Wetter (Sonne) und Tageszeit; ich habe mir die Himmelsrichtungen notiert und könnte Vorschläge machen für die Reihenfolge. Das Sumpfhaus: eine Halle von ca. 80 Metern Länge, von unten bis oben – das ist eine Schicht von 8 Metern – gefüllt mit Erde, die dort durchweicht. Mit der Durchfeuchtung gewinnt sie ihre „Bildsamkeit“ – ein tolles Wort, ein Fachbegriff der Keramiker für Feinkrümeligkeit. Die allerschönste Station, die unter Umständen den Ausschlag geben sollte für einen Dreh, ist jene der Materialprüfung. Ein Mann sitzt zwischen zwei Förderbändern und schlägt mit einem Hämmerchen bald rechts, bald links – mir schien unregelmäßig, wie ein Jazz-Schlagzeuger – auf die vorbeisausende Keramik, um anhand des markanten Plings zu erkennen, ob die Dinger ohne Sprung und Makel sind, was einen dumpfen Ton gäbe. Solche Schlechten nimmt er vom Band und wirft sie ins Kröpfchen, einen Trichterschlund. Vier Manipulatoren nebeneinander setzen die Ziegel zu kleinen Stapeln zusammen, zunächst zwei Stück, dann vier, damit die Pakete für den Dachdecker handhabbar sind. Alle Roboter tragen gedruckte, angenietete Namensschilder: Robert, Hans-Joachim, Josef etc. – das sind die Vornamen der Vorstände.
Heute kam Deine Scheibe mit den Videos vom Dachziegelwerk. Toll, wie der Betriebsleiter auf der Tonspur ständig quatscht, für den müssen wir beim Dreh eine Kinderbetreuerin mitbringen. Die Erdarbeiten sind wirklich viel besser als die in Dachau. Das Roboter-Ballett ist auch toll, und der Schlagzeuger ist ja der Hammer. Kurz, wir müssen da unbedingt drehen, nur hell muss es da sein.