Gespenster
„Im Kino ist der Berliner auch nicht so kritisch, beziehungsweise so abhängig von der Kritik seines Journals wie im Theater.“ Das weiß Franz Hessel zu berichten, der sich nicht nur durch den Stadtraum des Sehenswerten, sondern auch sozial quer durch Berlin bewegt. In den kleinen ‚Kientöppen’ erlebt er den ‚Kollektivgenuß’, dem er sich mit eigenen Tränen anschließt. Die schöne Neuausgabe von Franz Hessels „Spazierengehen in Berlin“ (1929) erlaubt es, diesen Autor und die Zwischenkriegsstadt wehmütig wieder zu entdecken.
Einmal nimmt ihn ein Freund zu Dreharbeiten nach Mariendorf mit: „Und nun fangen dort an der Bar die Grellbestrahlten an, sich zu bewegen…Einsam inmitten der Tobenden sitzt einer bei seinem Glase, den Ellenbogen auf den Bartisch gestützt, starrblickend, fern. Man flüstert uns einen berühmten Namen zu. Jetzt hebt er den Kopf und sieht zu uns herüber. ‚Er sieht uns an, als wären wir seine Gespenster’, sage ich Ahnungsloser. ‚Nein’, belehrt man mich, ‚er sieht nichts als blendendes Licht!’“
Spazieren in Berlin, Mit einem Geleitwort von Stéphane Hessel, Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin, 2011, 240 Seiten, 19,90 €