Filme der Fünfziger IV
Hitparaden gab es – so Wikipedia – in Deutschland ab 1954; davor sendete das Radio – nach amerikanischem Vorbild – die Schlagerparade. In der Schlagerparade wurde deutsches Liedgut rhythmisch aufgemöbelt. Big Bands und Tanzkapellen waren top. Davon, dass die Kenner sowieso AFN hörten, wollen wir jetzt mal gar nichts wissen.
Polydor verbündete sich mit Rundfunk und Film und startete die Schlagerparade auch im Kino. In „Heimweh nach Dir“ (1952; Regie: Robert A. Stemmle) spielen nur Polydor-Stars; die Playback-Aufnahmen wurden im Berliner Esplanade gemacht –ausgewähltes Publikum war im Juni 1952 zum „Polydor-Cocktail“ geladen. Friedel Hensch und die Cypris, Bully Buhlan, Rita Paul, Rudi Schuricke, Werner Müller und Helmut Zacharias spielten auf. Gerhard Wendland wurde genannt, aber ich habe ihn nicht gesehen. Werner Müller dirigierte die Rias Big Band; mit dem Geiger Helmut Zacharias hatte er schon 1943 eine Wehrmachts-Tournee durch Deutschland unternommen. Was für Musik werden wir wohl hören?
In einer Reithalle spielt eine auf „Alter Fritz“ kostümierte Musikkapelle lustlos und etwas falsch Marschmusik für eine Reitergarde. Ja, wenn sie ihre eigene Musik spielen dürften! Sie dürfen, man hört nun etwas wie Dixieland; die Pferde werden verrückt und werfen die Reiter ab. Die Negermusik macht die Pferde scheu – das ist auch in den fünfziger Jahren noch ein Brüller. Und immer ist im deutschen Film ein gütiges Schicksal zur Hand; diesmal ist es der eher smarte Herr Petermann (Martin Held), der die Kapelle gleich eine Stufe weiter vermittelt; eine Sängerin wäre gut und die Dixieland-Musik – „na na“ – die sei ja eigentlich verboten. Wir befinden uns in der Zeit des 3. Reiches. Margot Hielscher wird die Sängerin der Band, die sich jetzt „Flotte Fünf“ nennt. Mit Peter Pasetti, dem Bandleader, und dem Schlagzeuger Peter Mosbacher hat Margot Hielscher ein Verhältnis. Es gibt einen Riesenkrach – gerade als man ans Geldverdienen denken kann –, dann ist Krieg. Einberufung – und aus ist‘s mit der Karrier‘.
Ein Leierkastenmann, der schon die erste Episode angekündigt hatte, erklärt nun die Nachkriegszeit für eröffnet. Walter Gross verkauft Bockwurst (man sagt: wurscht, das klingt volkstümlicher) am Bahnhof Zoo, Peter Mosbacher und Wilfried Seyfert treffen sich auf der Landstrasse, Pasetti treibt die Sehnsucht aus Wien nach Berlin. Nur Lukschy ist bereits Arzt in Hamburg, aber zufällig auch wieder in Berlin. Im Resi, dem grossen Tanzlokal in Neukölln, kommt die versprengte Truppe schicksalsgewollt wieder zusammen.
Wilfried Seyfert in der Rolle des hellen Kerlchens nimmt im Resi an einem Quiz teil; dem Gewinner winkt eine Fernsehtruhe. Seyfert bekommt für die falschesten Antworten alle Trostpreise auf einmal: Flasche Dujardin, Schuhe, Hut, Radiokoffer Bajazzo, Fahrrad, Oberhemd und Krawatte. Das VW Cabrio hatte ja schon Sonja Ziemann in „Grün ist die Heide“ abgeräumt.
Im Resi singt auch Bully Buhlan, der eigentlich gern Mitglied der Flotten Fünf wäre. Sein Wunsch geht in Erfüllung. Margot Hielscher hat sich unglücklich nach Amerika verheiratet, ist jetzt aber auch im Resi zurück und sieht natürlich „grossartig“ aus. Ach Kinder, alles ist so schön wie früher; nein, noch früher als schöner müsste Walter Gross jetzt sagen. Vor 1945 gab es nämlich keine Schöneberger Sängerknaben und die Gala der Filmfestspiele in der Waldbühne ist auch ganz neu.
Es zählt das positive Gemeinschaftserlebnis – fast möchte man sagen „Volksgemeinschaftserlebnis“; die Brüche in den Biographien werden gemeinsam weggeschunkelt. Paul Esser in einer Nebenrolle kann doch eigentlich auch ganz zufrieden sein; dass er im Krieg den Arm verloren hat, ist gar nicht so schlimm. Er spielt ja gar kein Instrument. Irgendwann fällt der Satz: Wundervoll gewesen, damals. Und alle trappeln unruhig mit den Füssen, weil es jetzt noch besser werden soll.
Igor Oberberg fotografierte die Gemeinschaftsbilder. Zur Premiere wurden an der Gedächtniskirche 1.000 Luftballons in den Himmel geschickt als Gruss an die Brüder und Schwestern in der Zone. Die werden sich mächtig gefreut haben über das bisschen Luft in Tüten.
23.12.2019 13:42
[…] Romanze (1951; Regie: Paul Verhoeven) Heimatlos (1958; Regie: Herbert B. Fredersdorf) Heimweh nach Dir (1952; Regie: R.A. Stemmle) Heisse Ernte (1956; Regie: Hans H. König) Herz kehrt heim, Ein (1958; Regie: Eugen York) Herz ohne […]