Beschweigen
Die schönste Erinnerung an den im letzten Jahr verstorbenen Dieter Hildebrandt ist für mich der Fernsehfilm „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“, (R: Rolf Hädrich ,1964) in dem er die Hauptrolle spielt. Obwohl der Film großartig ist, sind doch einige Drehbuchänderungen (von Hildebrand) ein Verlust, wenn man die Vorlage von Heinrich Böll (1958) damit vergleicht. In der gleichnamigen Geschichte gibt es eben mehr als nur eine satirische Abrechnung mit dem deutschen Nachkriegsrundfunk. Bölls Geschichte gehört zum Besten, was er je geschrieben hat. Einige „subversive“ Elemente sind in der Fernsehfassung geopfert. Was Doktor Murke mit dem aus den Sendungen herausgeschnittenen Schweigen anfängt, dass es ihm unentbehrlich ist, um sein Leben zu meistern, sich dieses Schweigen am Feierabend anzuhören. dass er sogar seine Freundin bittet, ihm Tonbänder zu „beschweigen“. („Ich kann nicht mehr, es ist unmenschlich, was du verlangst.“ Sagt sie.) Diese Figur kommt gar nicht vor. Und auch eine kleine Nebensache nicht; Als Murke sich der Gepflegtheit des Funkhauses, der geschmackvollen, großzügigen Ausstattung in einem Moment des Überdrusses bewusst wird, überkommt ihn der „Wunsch, das kitschige Herz-Jesu-Bildchen, das seine Mutter ihm geschickt hatte, hier irgendwo an der Wand zu sehen. Er blieb stehen, blickte um sich, lauschte, zog das Bildchen aus der Tasche und klemmte es zwischen Tapete und Türfüllung an die Tür des Hilfsregisseurs der Hörspielabteilung. Das Bildchen war bunt, grell, und unter der Abbildung des Herzens Jesu war zu lesen: Ich betete für dich in St. Jakobi.“ Mit dieser Versicherung endet die Geschichte auch, als der Hilfsregisseur, der das „Geschenk“ gefunden hat, es dem Techniker zeigt, als Rätsel, als „Kitsch“, und dieser den Satz laut liest, völlig verständnislos. Im Funkhaus, wo aus einem Vortrag das Wort „Gott“ siebenundzwanzigmal herausgeschnitten wird, und zwölfmal wieder Verwendung finden kann, als es in ein Hörspiel hinein geschnitten wird, kennt man solche exotischen Bräuche nicht.