Kein Fernsehbild
Eine vernachlässigte Synagoge in einer abgelegenen israelischen Siedlung rund um ein Forschungsprojekt am Rand der Wüste wird an einem 9. November Opfer eines Anschlags, bei dem eine Thorarolle verbrennt. Bald stellt sich heraus, dass diese Aggression aus der Mitte der Gesellschaft kam, von einem jungen jüdischen Mann aus bürgerlicher Familie ausging, Kriegsdienstverweigerer, Atheist, Veganer, der seinen Platz bisher nicht finden konnte.
Die Erzählung beginnt zwei Monate früher: „Der elfte September war ein Dienstag. Abi, der am Montag nichts in sein Tagebuch geschrieben hatte, begann seine Eintragung am Dienstagmorgen über den Terroranschlag auf Nahariya am Sonntag, dem neunten September, nachdem er erst gestern mit einem Tag Verspätung davon erfahren hatte. Der Anschlag in Nahariya war kein guter Auftakt für die neue Woche, doch inzwischen waren solche Zwischenfälle alltäglich, so dass sich der Überraschungseffekt abgenutzt hatte…“ Die Verspätung ergibt sich daraus, dass das Einwandererpaar Abi und Livia keinen Fernseher besitzt. Ein täglicher Blick am Morgen in die im Supermarkt ausliegenden Zeitungen mit den großen Schlagzeilen muss genügen. Oder die Information kommt über das Telefon: „Schon gehört, was passiert ist?“ „Was meinst du?“ „Der Anschlag.“ „In Nahariya?“ „In New York.“ „Nein, nichts davon gehört.“ Danach gibt Abi seiner Frau die Schilderungen weiter: „Sie scheinen unter Schock zu stehen. Sie wurden erstmals auf eigenem Gebiet angegriffen.“ Aber Bilder von den Ereignissen beschaffen sie sich nicht.-
In diesen Tagen ist der Roman eine rare Möglichkeit, die Blickrichtung einmal zu wechseln.
Chaim Noll. Die Synagoge, Roman, Verbrecher Verlag, Berlin, 2014,