Zur Ordnung
Das wohlbekannte Problem, dass der Kapitalismus allerhand produziert, aber keinen Sinn, lässt sich innerhalb des Kapitalismus nicht lösen. Weil die Kunst von einer Lösung dispensiert ist, hat sie sich des Problems in einigen ihrer besten Werke annehmen können, von Sartres La Nausée über Becketts Theater bis zu dem Spielfilm Ordnung (1980) von Sohrab Shahid Saless. Saless unterscheidet sich von den Existenzialisten und Nihilisten dadurch, dass er das Problem verortet. Sein Ort ist die Bundesrepublik. Schon in Reifezeit (1976), einem Antwortfilm auf Jeanne Dielman aus der Perspektive des Kindes, hat er dieses Land genauer und finsterer porträtiert, als es die sentimentalen Herzog, Kluge, Wenders hätten tun können. Das nimmt der Finsternis ihre Absolutheit. Denn die Gesellschaft der Siebziger erscheint von heute aus gesehen idyllisch. Damals war bloß der Spießer der Feind, heute ist es auch der dezidierte Anti-Spießer, namentlich der inzwischen zum Rassismus gravitierende, ansonsten liberale, hässliche Medienmensch. Innerhalb des gegebenen historischen Rahmens konnte das Problem aber nicht eleganter bearbeitet werden als in dem nicht genug zu preisenden flauen, faden Schwarz-Weiß von Ordnung. Darin schreit ein Ingenieur, der nicht mehr bauen will, erst „Aufstehen!“, dann „Auschwitz!“ Heinz Lievens Gesicht ist das Emblem des Ekels.
Die Deutschen ehrten den Exiliraner Saless, der einen der besten Filme über ihr Land gedreht hat, damit, dass sie „Die Aufenthaltserlaubnis ersetzt nicht die Arbeitserlaubnis“ in seinen Pass stempelten.
Sohrab Shahid Saless, Ordnung, Berlin, Zeughauskino, 25.6., 20 Uhr