Montag, 24.10.2016

Filme der 50er XXI: Gefangene der Liebe (1954)

Willi Kluge (Curd Jürgens) hat seine Frau Maria (Annemarie Düringer), die nach acht Jahren russischer Gefangenschaft nach München zurückkehrt, vom Bahnhof abgeholt. Kluge führt eine Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt, darüber ist seine Wohnung. Willi zeigt Maria die Wohnung, die Geigen singen, die Flöten klingen. „Das ist nun unser Schloß.“   Erst kommt die Küche („alles elektrisch“), gleich daneben ist das Wohnzimmer („Das ist praktisch für die Hausfrau“). Lichter von außen kreisen durch das Wohnzimmer wie Sternenglanz. Da ist der Spiegel, „unser Spiegel“, das Bild von der Hochzeit mit dem schönen Kleid. Und nun die Überraschung. Im Schlafzimmer, im Schrank („Nun mach doch schon auf“) ist das Hochzeitskleid. Das ist so lange her; Maria bricht in Tränen aus, aber jetzt, jetzt kommt der Clou – das Bad, mit Fliesen, Badewanne, heißem Wasser, kaltem Wasser, Mischbatterie. Das alles hat Willi geschafft, und er hat es gut gemacht. Aber das Wichtigste ist doch „Magst Du mich noch?“ –  Maria nickt verschüchtert und sackt in sich zusammen.

Jugerts „Gefangene der Liebe“ (1954) ist beherrscht von der Angst vor der Wiederbegegnung mit dem Mann, auch vor dem möglichen Verlust  bürgerlicher Ehre. Der jähe Wohlstand wirkt wie ein Alptraum auf Maria, die jedes der so stolz vorgeführten Zimmer auch als Bedrohung, als Beweis der Diskontinuität empfindet. Willi führt vor, was er geleistet hat; Maria hat in den Jahren ein Kind bekommen. Davon weiß Willi noch nichts. Das Kind hat sie aus Angst bei einer freundlichen Ärztin (Brigitte Horney) untergebracht. Es ist ihr unentdecktes Geheimnis, die Vergangenheit, die unerledigte und drückende Schuld. Das sind die Trümmer, die jetzt aufgeräumt werden müssen; wie kann man damit umgehen oder, um im Jargon zu bleiben, fertig werden?
Willi und Maria mit dem Kind finden mit Hilfe von Freunden relativ schnell wieder zueinander, aber so billig sollen sie nicht davonkommen. Jetzt wird das ganz große Schicksalsrad gedreht. Es ist Oktoberfest, die Zeit, in der es von den Karussells dauernd in den Fenstern blinkt; auf dem Oktoberfest begegnet Maria zufällig Franz Marten (Bernhard Wicki), dem Vater ihres Kindes. Marten ist Motorradfahrer in der Todesbahn, sässe aber viel lieber mit Maria und Kind in der guten Stube. Mit wem soll Maria, die das alles doch schon entschieden hatte, zusammen bleiben? Noch einmal erscheint das Gespenst der Vergangenheit, noch einmal müssen Maria und Willi um die Gegenwart kämpfen, um die ganze Existenz, die schöne Wohnung, die florierende Tankstelle. Wer ist bloß schuld an diesen furchtbaren Verwicklungen? Es ist der schauerliche Krieg, dem in einer Farce mit expressionistischem Licht, schräggestellten Bildern und einem besoffenen Kriegsversehrten der Prozess gemacht wird. Als alle Flaschen ausgetrunken sind, ist auch dieses Thema erledigt. Es gibt ja, trotz des Titels, keine Gefangenen, es geht nicht um Ausbruchversuche, es geht um die Befreiung von der Last der Vergangenheit. Gibt es diese Last überhaupt? Käutner hat das ein Jahr darauf in „Himmel ohne Sterne“ kurz und bündig kommentiert; Otto Friese (Gustav Knuth) ist mit dem Umsatz in seinem Lebensmittelladen sehr zufrieden – „ist fast schon wieder so wie 1937“.

Zwei Jahre war das Drehbuch herumgereicht worden, kein Produzent wollte noch einen weiteren Film mit Heimkehrer-Problematik drehen. Die Stabliste versammelt die bewährten Profis des deutschen Films: Walter Boos, Erich Kettelhut, Bruno Mondi, Charlotte Flemming, sogar Rainer Erler. In der Saison 1954/55 zählte „Gefangene der Liebe“ neben Veit Harlans „Verrat an Deutschland“, Laszlo Benedeks „Kinder, Mütter und ein General“ und Roberto Rossellinis „Angst“  unter kommerziellen Aspekten zu den „Versagern“ der Saison. Keine schlechte Nachbarschaft, wäre da nicht der billige Budenzauber.

 

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