Montag, 23.12.2019

Filme der Fünfziger LIV: Moselfahrt aus Liebeskummer (1953; R: Kurt Hoffmann)

Die Moselfahrt gehörte in den Fünfzigern zum Bildungs- und Kulturfahrten-Pflichtprogramm. Für die Winzer waren die Fahrten ein gutes Geschäft, kistenweise sollte der bestellte Wein später für trunkene Erinnerungen sorgen.
Rudolf Binding hatte 1932, ein Jahr bevor er gegenüber Adolf Hitler das Gelöbnis „treuester Gefolgschaft“ erklärte, die Novelle „Moselfahrt aus Liebeskummer“veröffentlicht. Sie bildet die literarische Vorlage für diesen Film, ohne dass es wirklich zwingend einer literarischen Vorlage bedurft hätte. Doch wir sind hier nicht zum Vergnügen, sondern wegen der Kultur. Das Presseheft will uns „an das Werk heranführen, das Beachtung und Liebe verdient. … Der Geist des schmalen Büchleins, seine Besinnlichkeit, seine Wahrheiten, seine Menschen und seine Schauplätze haben Gestalt gewonnen, ohne die Unantastbarkeit eines literarischen Kunstwerks von überzeitlicher Bedeutung zu verletzen.“ Oha – der Gang ins Kino soll etwas Besonderes werden – so lasset uns denn sehen, was das Lichtspiel uns Beglückendes anheim gibt.

Thomas (Will Quadflieg) ist eifersüchtig

Dr. Thomas Arend (Will Quadflieg), man hört es en passant, wurde gerade bei einer Universität als Dozent für Kunstgeschichte angestellt; mit seiner Freundin, der Opernsängerin Dorette Sorel (Renate Mannhardt), will er nun eine Moselfahrt machen. Dorette mault etwas, sie möchte lieber nach Paris oder nach Italien und was vom Leben haben. Das kommt nicht in Frage, Thomas freut sich doch so darauf, ihr die Sehenswürdigkeiten zu zeigen und zu erklären. Jetzt muss Dorette schnell in die Oper zur „Hochzeit des Figaro“, sie singt den Cherubino, singt von der „Liebe, die so brennt“ und grüßt diskret einen unbekannten Herrn in einer Loge.. Thomas steht, ganz Herr des Geschehens, in ebendieser Loge und beobachtet alles genau; im Auge glimmt der Zorn.
Am nächsten Morgen ist Dorette nicht zu Hause, ihr Bett ist unbenutzt. Ganz gekränkte Primadonna fährt Thomas nun allein los.
Werbeheft: „Thomas Arend wird leichter ums Herz, als er mit seinem Wägelchen [ein VW Cabrio] den Windungen der Straße an der Mosel folgt. Wanderer winken ihm freundlich zu, Winzer heben bedächtig die Hand, dem Fremden Gruß und Willkomm bietend. Da wird Toms – seine Freunde nennen ihn nur Tom – Kummer kleiner und kleiner, der ihm gestern noch als nicht zu verwindende Endgültigkeit erschien.“

Mutter (Elisabeth Müller)

Angela Schaefer (Elisabeth Müller), Verlegerwitwe und junge Mutter, ist mit ihrem Sohn Kaspar (Oliver Grimm) ebenfalls auf Moselfahrt. Sie geht in den Dom in Trier, da braust die Orgel, Kaspar versinkt im Gebet, geht daraufhin verloren und wird von Thomas gefunden. Wenn das nicht Schicksal ist! Mit einem Mal sind wir in einem Kulturfilm über Land und Leute und Weine wie das Erdener Treppchen, das Trittenheimer Altärchen oder die Wehlener Sonnenuhr, wir schunkeln und singen auf einem Weinfest und gehen mit Quadflieg und Albert Florath in ein Lokal, wo man in Ruhe einen guten Tropfen trinken kann. Ach, der Bürgermeister (Bum Krüger) ist auch schon da; Frau Bürgermeister möchte, dass ihr Mann nach Hause kommt, aber jetzt trinken die Männer noch ein Fläschchen, har-har. Die Kamera steht auf Höhe der dicken Männerbäuche – so sieht Gemütlich- und Behaglichkeit aus. Am Nachbartisch blättert Angela im Gästebuch und sieht den alten Eintrag von sich und ihrem verstorbenen Mann –es seufzt die Erinnerung.

Vater (Will Quadflieg)

Thomas und Kaspar freunden sich an, streifen singend durch die Lande; Angela und Thomas sehen sich ein Madonnenbild an und Thomas staunt nicht schlecht, dass Angela so gebildet ist. Er nimmt ihre Hand, sie lächelt schüchtern; sieht sie nicht aus wie eine Madonna? Da taucht mit einem Mal wieder Dorette auf, die ein fescher Holländer in seinem Wägelchen [einem Mercedes Cabrio] an der Mosel herumkutschiert hat. Aber Thomas bekennt sich zu Angela, drei Jahre mit Dorette sind wie ausgelöscht. Thomas, Angela und Kaspar gehen ihren Weg jetzt gemeinsam.
Will Quadflieg ist der hoffnungsvolle Mann mit dem romantischen Blick; mal stemmt er die Hände in die Hüften, dann wieder versenkt er sie fast trotzig entschlossen in den Anzugtaschen. Er lebt in den Männlichkeitsposen der Vergangenheit und spielt

Kind (Oliver Grimm)

Kaspar gegenüber eine Vaterrolle als falscher Kinderkamerad. In der ersten Krise – der Diskussion mit Dorette über das Reiseziel – wird er schon autoritär und unleidlich. Die Opernsängerin sitzt ihm zwar zu Füßen , will aber auch eine eigene Karriere. Angela dagegen, der Witwe eines Kunstverlegers, fehlt der Mann, ihrem Sohn der Vater. Bei ihr kann Thomas Karriere machen.
Kurt Hoffmann inszeniert Angela als vorsichtige, aber überwältigungswillige junge Witwe. Die Moselfahrt ist auch eine Phantasie über das angerichtete Nest, in das sich geschickte und einfühlsame junge Männer setzen können. Der träumende Blick deutscher Innerlichkeit richtet sich wie verzaubert auf zukünftigen Wohlstand, die Beherrschung der scheuen Frau und ein Leben im Geiste der Vergangenheit. Der Gedanke an eine Geschichte über einen bösartigen Heiratsschwindler wäre reizvoll, da doch der ganze Film eine einzige Hochstapelei ist. Gunther Groll konstatierte: “Der Kummer beginnt, als der junge Kunsthistoriker seinem Fräulein Braut solange Binding vorliest, bis sie etwas nach ihm wirft.“ Groll hat das mal eben so erfunden, der Film inspiriert zu solchen sonderbaren Geschichten. Groll fügt hinzu: “Mit Recht.“

Das Werbeheft bietet einen Artikel für die „Frauenseite“ an, im Internet gibt es eine webseite https://moselfahrt.film/ zu dem Film, der mit Mitteln des Förderprogramms Filmerbe restauriert wurde.

Ursprünglich war Victor Tourjanski als Regisseur vorgesehen, als Darsteller wurden Karl Heinz Böhm, Rolf Pinegger und Willi Fritsch genannt.

Nicht als DVD, nicht als Video

Präzisierungen zu filmportal:
Requisite: Otto Garden, Hans Pewny; Dreharbeiten vom 21. August 1953 bis 3. Oktober 1953; Außenaufnahmen in Trier, Bernkastel, Lieser an der Mosel, Bayreuth; Atelier: Geiselgasteig; Ateliersekretärin: Irmgard Palz.

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