Freitag, 18.12.2020

Filme der Fünfziger LVII: Illusion in Moll (1952) R: Rudolf Jugert

„Unser Hotel“ kommentiert die Off-Stimme von Paul Alsbacher (Hardy Krüger) die ersten Bilder eines großbürgerlichen Anwesens; als werde hier ein Familienalbum aufgeschlagen. „Vater“ (Albrecht Schoenhals) wird im Rollstuhl im Garten herumgefahren. Der Garten ist eher ein Park mit angeschlossenen Tennisplätzen, Anlegestegen für Motorboote (man fährt auch Wasserski oder segelt zur Entspannung) und einem Schwimmbad am See. „Unser Hotel“ ist auch die Formulierung des Vaters an den Sohn, sein Vermächtnis „klar, sachlich, schonungslos: Lass es nicht in falsche Hände geraten.“
Herr Gidou (Maurice Teynac) ist Hotelgast, Sänger, Orchesterleiter und vor allem ein Herzensbrecher. Er hat es zunächst auf Pauls kleine Schwester Dorothy (Gaby Fehling) abgesehen, flirtet aber auch ungehemmt mit Pauls Freundin Lydia Bauer (Hildegard Knef), mit der Hotelchefin Maria Alsbacher (Sybille Schmitz) und nebenbei auch mit Vera (Nadja Tiller), einem abenteuerlustigen Flittchen.
Der Vater ist gestorben, Gidou schmachtet die Mutter mit dem Lied „Du bist wunderbar“ an, Lydia singt für Paul „Illusionen“, mit Strophen geistreich scheinender, aber ziemlich sinnloser Wortreihungen. „Illusionen, Illusionen, Sie sind das, was uns am Leben hält/ Illusionen sich belohnen/Ohne Zweck und ohne Sinn!/ Nur nicht denken/sich verschenken!“ Lydia ist Modezeichnerin, hat eine etwas rauhe, von Lebenserfahrung gefärbte Stimme und sagt gelegentlich den in dieser Gesellschaft erstaunlichen Satz: „Ich muss zur Arbeit“. Lydia ist ursprünglich ein lebenspraktischer Charakter; gegenüber den Avancen des Herrn Gidou verhält sie sich wie auch sonst im Leben klar, sachlich und schonungslos. Das macht sie für einen filmischen Schmachtfetzen eher uninteressant; der Autor Fritz Rotter dichtet ihr eine unheilbare Krebserkrankung an und wendet ihre Jugend zu einem bittersüßen Dramolett aus Molltönchen.

Der Geschichte geht es um die Tugend des Verzichts, die reiche Menschen immer mit tragischem Edelmut umgibt.. Ganz und gar zufälligerweise sind es hier nur die Frauen, die Verzicht, Enttäuschung und Entbehren als moralische Lektion auf sich nehmen. Die kleine Schwester Dorothy muss auf die Liebe des Gigolo verzichten, Lydia bewahrt Mutter Maria mit einem selbstlosen erotischen Trick vor dem Vollzug der Hochzeitsnacht und entlarvt Gidou als „niederträchtigen öligen Lump“ (Paul). Was für eine Zukunft hat die krebskranke Lydia, nun, da sie das Hotel nicht in unrechte Hände hat kommen lassen? Sie will sich vor einen LKW werfen, ins Wasser gehen – da kommt Paul und hilft ihr wieder ins Leben. Aus dem lockigen Männlein ist ein Mann geworden, auf ihn können die Frauen mit ihren zerschmetterten Träumen jetzt richtig stolz sein.

Mit großem Eifer verriss die Kritik den Film und die schwache Geschichte, unterschlug dabei aber die Brillanz von Inszenierung und Kameraarbeit. Tordurchgänge, Fensterausblicke, Spiegelansichten – auch Kameraperspektiven, in denen die Objekte zum handlungstreibenden Element werden – wenn man sich erstmal geöst hat vom Zwang, der

Hardy krüger, Hildegard Knef und Sybille Schmitz

Handlung zu folgen, entdeckt man die Lust, mit der sich Jugert und Vich der visuellen Inszenierung gewidmet haben. Vielleicht war es auch ihre ganz eigene Antwort auf das von Architekt Ludwig Reiber eingebrachte plüschige Interieur des Hotels und die von ihm sinnlos vollgestopfte Moderne in Lydias Mädchenzimmer.
Der Film hatte kein Glück beim Publikum und das unglückliche Skript brachte noch ein eigenes Unheil mit sich. Fritz Rotter hatte denselben Stoff schon Jahre zuvor an eine kleine amerikanische Firma verkauft, die daraus unter der Regie von Edgar Ulmer den Film „Strange Illusion“ (USA 1945) produziert hatte. Ulmer wollte Geld und stellte Pommer eine Frist von zehn Tagen, um sich mit ihm außergerichtlich zu einigen. Pommer dachte nicht daran, er wusste, dass Ulmer keinerlei Rechte an „Strange Illusion“ hatte.

 

Keine DVD, kein Video.
Bei Ulmers „Strange Illusion“ (USA 1945) ist das copyright abgelaufen. Der Film ist auf YouTube von verschiedenen Anbietern eingestellt; es gibt ihn auch als DVD.

Ergänzungen zu filmportal:
Standfotos: Paul Filipp.
Dreharbeiten: Begin  der Aussenaufnahmen in  München  15. September 1952 – Beginn Aussenaufnahmen in Velden am Wörthersee am 24. September 1952 – Beginn der Atelieraufnahmen in München 10. Oktober 1952 – Ende der Dreharbeiten 7. November 19t52.
Mit Albrecht Schoenhals (Werner Alsbacher), Viktor Afritsch (Ein Portier), Else Wolf (Klara) Rudi Risavy (Ein Geiger)

 

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