Vierundzwanzig (9)
„Ich lese gerade O. W. Fischers ‚Engelsknabe war ich keiner‘. Ein schwebendes Buch. Als wäre alles durchsichtig; das Menschsein nichts als Rolle, Vortäuschung. Fischer fand, dass wir unter einer Art selbstgewählter Hypnose leben; wir blenden die multidimensionale Wucht von Allem aus, weil wir sie nicht ertragen können und – vielleicht zu Recht – befürchten, davon verrückt zu werden oder zu sterben. Und blenden aus, dass wir das ausblenden. Fischer war sich sicher, im früheren Leben eine kurz vor seiner Geburt verstorbene Prostituierte gewesen zu sein, die bei seiner Mutter um die Ecke wohnte und von der diese fasziniert gewesen sei.“ (Silvia Szymanski) ***
Frankenstein Created Woman (1967 Terence Fisher)
„O.W. Fischer ist stets ein Outsider gewesen, ein Besonderer. ‚Eigentlich war ich ja immer so ein ganz klein wenig abseits‘, schreibt er. ‚Selbst die wüsten Eskapaden lebte ich wie halb im Traume. Distanz zwischen mir und mir war da immer. Immer so ein bisschen grade überm Teppich. Nie ganz da.‘ Fischer hat im Grunde nur gesellschaftliche Außenseiter dargestellt im deutschen Kino der fünfziger Jahre, großsprecherische Ganoven, exzentrische Künstler und verträumte Politiker wie den bayerischen Märchenkönig in Käutners Meisterwerk Ludwig II.“ (Hans Schifferle, SZ)
Lausbubengeschichten .(1964 Helmut Käutner)
„Ein bizarr-schönes Abenteuer aus den Kindertagen ist O. W.s heimlicher Trip ins Irrenhaus. Er entdeckt dort ein halbnacktes Mädchen, ‚eine helle Loreley‘, das in einem vergitterten Bett liegt. Er macht das Gitter auf. ‚Sie zog mich zu sich ins Bett. Küsste mich wie die Madonna ihren Knaben . . . Plötzlich ein Aufschrei. Nicht von ihr oder mir. Nein, die Pflegerin kam ins Zimmer. Riss mich weg und schmiss das Bett zu. Und dann kam das Wutgeheul einer Bestie. Riss und tobte an den Maschen. Wo war plötzlich die Madonna? Eine Tigerin ohne Junges. Jemand hat es ihr genommen. Man hat Mutter angerufen. Sie erzählte abends schluchzend Vater, es wär eine ganz Gefährliche gewesen. Unheilbar. Ich lächelte, urerwachsen, als ich’s hörte.‘
(…)
Ein wunderliches, ein wunderbares Buch.”
(Hans Schifferle über O. W. Fischers wilde Memoiren: „Meine Geheimnisse”, 2000)