Extreme Canvas
Irgendwie rechnete ich damit, dass Rainer Knepperges die Filmplakate aus Ghana hier verlinken würde, aber statt dessen kam von ihm der überraschende Hinweis auf die erfolglosen Künstler. Das ist eigentlich noch besser.
Die Filmplakate aus Ghana, auf die in einem Blog hier um die Ecke hingewiesen worden war, sind genaugenommen keine Film-, sondern Videoplakate. Und sie sind genaugenommen auch keine Plakate, sondern, wie der Titel des Buches sagt, in dem sie versammelt sind (Extreme Canvas), Leinwände. Aber auch Leinwände sind sie nur in einem sehr speziellen und pragmatischen Sinn, da viele dieser Bilder, liest man, auf ausrangierte Mehlsäcke gemalt wurden.
Diese wunderbare Kunst ist ein Nebenprodukt der Videoauswertung von Filmen, mit denen in den 80er Jahren Leute durch das afrikanische Land tourten, um sie in Dörfern und Städten zu zeigen. Ein Fernseher, ein Videorecorder und ein Generator für den Strom: so muss man sich das vorstellen. Als sich später die Fernseher stärker verbreiteten, war Schluss damit. »The artists were given the artistic freedom to paint the posters as they desired – often adding elements that weren’t in the actual films, or without even having seen the movies.«
Wie bei so vielen Blicken von Europa nach woandershin kann man sich fragen, ob der Freude und dem Staunen über die Gemälde nicht auch ein Gran Paternalismus beigemischt ist, eine etwas überhebliche Art, die damit zu tun hat, dass man die Filme kennt und das Amateurhafte mit mangelndem Professionalismus verwechselt. Ich glaube aber, dass diese Bilder gegen solche Herablassung auf eine sehr souveräne Weise immun sind. Wann sieht man das schon, dass so präzise die Vorstellung eines Films gemalt wird und sich dieses Vorstellungsbild so selbstbewusst an die Stelle der Filme setzt? Walter Hill hat wohl recht, wenn er sagt, dass die Gemälde oft interessanter sind als die Filme, auf die sie sich beziehen.
Rainer Knepperges würde diesen Eintrag sicher mit einem Zitat aus dem 19. Jahrhundert abschließen, etwas wie: »Wir haben längst gesagt, dass er das alles kennt; er kennt es und doch ist es ihm bei diesem Anblick wieder neu geworden und drückt ihm sichtbar die Seele nieder. Zu spotten über Dinge, die andern heilig schienen, war nicht seine Art. […] Nun aber kam ein Moment, wo er sich des Lächelns nicht ganz erwehren konnte.« (Friedrich Theodor Vischer)
Wie dieses Zitat beweist, ist Rainer Knepperges zweifellos der bessere Rainer Knepperges.