Rennboote
Freitag Nacht zappten B. und ich durch die vom Sat-Receiver neu gescannten Programme. Wir stießen auf ein Bild, bei dem ich bleiben wollte. Der Sender hieß, glaube ich, Crystal.
Es waren in nörgelndem Tonfall Rennboote unterwegs, die mühsam Kurven nahmen, um sodann wieder zu beschleunigen. Hubschrauber mit Kameras an Bord, die mit den Booten mitflogen, sah man in den Totalen. Im Gegenschuß, der keiner war, denn es ging alles furchtbar und herrlich durcheinander, sausten die Boote vor der Kulisse eines mit Hochhäusern bebauten Ufers. B. machte ein Gebäude im maurischen Stil aus. So kamen wir darauf, daß es z.B. Bahrain oder Qatar sein müßte.
Beim Schnitt der Einstellungen wechselten die sirrenden Töne – je nach Boot, nach Abstand, mit oder ohne Doppler-Effekt. Es gab sogar eine flüsterleise Kommentatoren-Stimme, die unterging im Nölen der Motoren; an Silbenfetzen war Englisch auszumachen.
Boote fielen aus, wurden langsam, sanken zurück ins Wasser, wurden an Leinen abgeschleppt. Männer mit Helmen klappten den Deckel ihres Cockpits auf.
Nach zehn Minuten unseres Schauens, die Boote rasten gerade noch, platzte eine Siegerehrung herein; ein Preisverleiher mit Talfia und Kutte, eine zweite, parallel gesetzte Tonspur mit arabischem Sprecher.
Fast schien es sich um Rohmaterial zu handeln – der räumliche Zusammenhang war den Berichterstattern wohl so selbstverständlich, daß sie sich keine mühseligen Gedanken machten um den televisionären Transfer oder es war ihnen vor Begeisterung für die rasenden, Fontänen spritzenden Boote, wurst.
Ich bedauerte das rasche Ende; wer weiß, wie lange das Rennen schon lief. Es drängte sich mir auf, daß es Web-Stoff eines Videoteppichs, einer schlichten Videoinstallation sein könne. Aus dieser Assoziation schließe ich zurück, daß Videoinstallationen gelegentlich angenehm sinnfrei sein dürfen, oder daß Unprofessionalität im TV bereits eine Öffnung der Gefängnistore bedeutet.
Grund, beim schnellen Zappen an dieser Stelle bleiben zu wollen, war die sofort präsente Erinnerung an die Rennboote in einer Einstellung aus „13 Lakes“ von James Benning, Salton Sea. Zwei Tage später weiß ich, daß die Positiv-Konditionierung für Rennboote bereits durch „Il Grido“ von Michelangelo Antonioni passierte. Da plärren sie in den Kanälen der Po-Ebene.
Habe nachgeguckt: Der Sender heißt „Clear TV“.