Donnerstag, 10.10.2002

Windtalkers

von Jan Distelmeyer
(aus: epd-film 8/2002)

Das Feuergefecht zwischen den amerikanischen und japanischen Soldaten ist in vollem Gange, hier ein Schuß, dort ein Schrei, und die Kamera _ wie immer potentiell mit Blut befleckt und Schlachtfelddreck beschmutzt _ mittendrin statt nur dabei. Da geschieht es plötzlich: Mit einem Mal sieht sich unser Held Aug in Auge einem Japaner gegenüber, beide mit dem Gewehr im Anschlag. Dies ist der Moment, in dem der Kennerblick den Meister schaut, oder: ihn zu erkennen aufgefordert ist. „Mexican Standoff“ heißt das Stichwort, und hinter diesem Arrangement zweier aufeinander zielender Kombattanten dürfen wir den Regisseur John Woo vermuten. Dazu haben wir noch ein paar elegische Actionzeitlupen und ein Verwirrspiel um Identität entdeckt, so dass angesichts dieser Erkennungszeichen wohl niemand mehr (jedenfalls kein „Kenner“) der Feststellung zu widersprechen wagt, es hier mit einem „John Woo-Film“ zu tun zu haben.

An dieser Stelle könnte eine ausschweifende Diskussion beginnen, ob nun John Woo oder irgendein anderer Angestellter der Filmindustrie diese „Signaturen“ über „seinen“ Film gelegt hat, in welchem Maße es unser eigener Blick ist, der dieses künstlerische Eigentum herstellt, und was mit dieser Identifikation eigentlich gewonnen ist. Was jedoch den konkreten Fall „Windtalkers“ angeht, so tut jene Debatte diesem Film vielleicht schlicht zuviel Ehre an. Jedenfalls ist ein John-Woo-Bezug nicht unbedingt nötig, um von dem zu sprechen, was „Windtalkers“ zu einem ärgerlich zeitgemäßen und darin so berechenbaren Kriegsfilm macht.

Wieder einmal geht es um den Zweiten Weltkrieg und dabei nicht (wie in „Saving Private Ryan“, „U-57“, „Duell _ Enemy At The Gates“ oder „Das Tribunal“) gegen die Krauts, sondern (wie in „Der schmale Grat“ und „Pearl Harbor“) gegen die Japs. Die kriegen es hier 1944 im Kampf um die Pazifik-Insel Saipan u.a. mit den Windtalkers zu tun; mit den Spezialisten der US-amerikanischen Nachrichtencodes, deren System an die Sprache der Navajo-Indianer angelehnt ist. Unser Held aus ihren Reihen ist der „Navajo Marine“ Private Ben Yahzee (Adam Beach), weshalb der Film auch mit dessen Abschied von seiner Familie im Monument Valley beginnt und wiederum mit der Familienzusammenführung auf einem malerischen Felsen am selben Orte endet; untergehende Sonne und rötliches Licht inklusive, so wie man vom „untergehenden Stern“ der „roten Rasse“ redete. Der mit dem Klischee tanzt: Einsam weht der Wind durch die Kulisse, Stammesgesänge heben an und „der Indianer“ ist noch immer für das Ursprüngliche, Natürliche und Geerdete zuständig. „Zivilisation“ sieht anders aus.

Um den im Kampf unerfahrenen Ben Yahzee zu schützen und dabei um jeden Preis zu verhindern, dass er lebend in die Gewalt des Feindes gerät, wird ihm Sergeant Joe Enders (Nicolas Cage) an die Seite gestellt. „Ihre Mission lautet, den Code zu beschützen!“ Enders ist Italoamerikaner, von seiner letzten Schlacht traumatisiert und scheint erst im Kampf, im Akt des Tötens, wieder lebendig zu werden. Das allerdings gibt sich mit der Zeit, und er erweist sich nicht nur als Opfer, sondern auch als Held des Krieges, der Mensch genug ist, sein Leben für den Kameraden Ben einzusetzen, anstatt ihn durch Mord der Feindeshand zu entziehen. Aus dem Killer mit Hang zum Wahnsinn wird ein verantwortungsvoller Offizier, der zwar nichts gegen das Töten hat, aber zumindest auf Seite seiner Kameraden dem Gevatter Tod entschlossen und mit dem typischen Nicolas-Cage-Dackelblick in den Arm fällt: „Es wird keiner mehr sterben!“

So wie sich dieser innere Konflikt bei Nicolas Cage in heroisches Wohlgefallen auflöst, ergeht es jedem sichtbaren Problem innerhalb der Truppe und innerhalb der Geschichte. Ein bißchen Rassismus wird durch einen einzigen GI angedeutet, der nach ein paar Beleidigungen und einem Gewaltausbruch durch einen anderen Windtalker, Private Charles Whitehorse (Roger Willie), bekehrt wird. Da ist dann Schluß mit dem verächtlichen Vergleich von „Schlitzauge“ und „Rothaut“ (und mit dem Identitätswechselspiel, das wir mit „John Woo“ assoziieren dürfen). Wer kann schon einem Navajo übel sein, wenn er ihm so edel mit dem ganz in Indianerart geworfenen Indianermesser das Leben rettet? Und überhaupt: War ja eh Blödsinn, diese Diskriminierung, weil doch gerade Yahzee und Whitehorse sich als zwei der tapfersten und wertvollsten Soldaten erweisen.

Diese Vollbewältigung aller etwaigen Schwierigkeiten auf dem Weg zum besinnlichen Schlußbild und -wort ist gerade angesichts des zeitgenössischen Kriegsfilms besonders langweilig. Einmal mehr ist der Krieg im Kino nicht nur ein Ort, an dem Probleme kulminieren, sondern auch der Modus ihrer Auflösung. Die männliche Kriegserfahrung macht uns gleich, nur wer „dabei gewesen“ ist, kann mitreden _ und dank Filme wie „Windtalkers“ sind wir ja nun „dabei gewesen“. Das Fazit in Ridley Scotts „Black Hawk Down“, ein Prinzip der oral history, gibt auch für „Windtalkers“ den Ton an: „Wenn ich nach Hause komme und sie mich fragen, warum ich da war, ob ich ein Kriegsjunkie sei, werde ich nichts sagen. Weil sie nicht verstehen werden. Weil sie nicht verstehen, worum es geht: um den Mann neben dir.“

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Diskussion des Textes bei: http://filmkritik.blogspot.com

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