Berliner Zerstörungseuphorie
Das großartige Buch von Hanns Zischler „Berlin ist zu groß für Berlin“ (Galiani Berlin, 2013) ist selbst für geborene Berliner eine Spuren- und Schatzsuche – nicht nur nach dem Verlorenen, Zerbombten, Zerstörten, sondern auch dem Aufgegebenen, sinnlos für das Schlechtere Preisgegebenen. Trotzdem ist es auch ein Trost, nicht nur durch das wunder- und sonderbare Bild- und Kartenmaterial, das Entdeckungen erlaubt, sondern durch den Hinweis auf verbliebene Schönheit und Gelungenheit.
Besonders begeistert hat mich das Kapitel „Das Stadtbild gehört uns“ – ein Satz des hellsichtigen Kritikers Karl Scheffler, den Zischler darin ausgiebig zitiert. Nach der Fertigstellung des neuen Doms – eines der Projekte der Bauwut der wilhelminischen Zeit, die Zischler „Zerstörungseuphorie“ nennt – schreibt Scheffler angesichts des größenwahnsinnigen Neubaus, für den der alte Dom gesprengt worden war:
„Wenn der Plan, in Berlin eine neue Domkirche zu bauen…immer wieder vertagt worden war, so war im wesentlichen das Gefühl für die Wichtigkeit und Verantwortlichkeit der Aufgabe schuld daran. Die Beteiligten, zu denen auch Schinkel gehörte, empfanden, dass das Beste gegeben werden müsse, was moderne Baukunst zu leisten vermag.“ Selbst „mit der Fülle seines nachgeborenen Genies“ seien Schinkel keine überzeugenden Entwürfe gelungen, denn: „Er fühlte, und mit ihm seine Zeit, zu romantisch-hellenisch, zu goethisch-heidnisch, um eine schlichte protestantische Predigthalle vorschlagen zu können; und andererseits blieb ihm die Idee einer kalten Repräsentationskirche fremdartig.“
Zischler sieht bei Scheffler das Beharren auf „einem gemeinschaftlichen Besitz“ der Stadt und ihres Bildes: „Was in der ‚kalten Wüste Berlins’ seit der Gründerzeit hochgezogen und ins Breite gedehnt wurde, geht mit einer grotesken und gefährlichen Einseitigkeit der Planung einher: die Residenzstadt hat sich zur imperialen Metropole gemausert (Dom) und die Volksvertretung vor das Tor gesetzt (Reichstag)“