Freitag, 25.04.2014

Deöss iss oarg!

Es muss um 1982 herum gewesen sein, dass eine Gruppe junger Österreicher – drei Männer und zwei Frauen – an der Haustür unserer Wohngemeinschaft in Hannover klingelte. Alle Anfang 20, so wie wir selbst, die wir zu fünft in einer großen Altbauwohnung in der Nordstadt gegenüber des Georgengartens und der Herrenhäuser Gärten wohnten – nur einen Katzensprung entfernt zur Fakultät Freiraumplanung und Gartenbau, die unseren studentischen Mittelpunkt bildete. Eine der beiden Frauen war hochschwanger und ihr Freund gehörte zur Gruppe der drei Männer. Sie waren gekommen, um in den Sommerferien in Deutschland bei Continental zu arbeiten, die Schwangere nur um ihren Freund zu begleiten. Das war heftige und ungesunde Arbeit in der Reifenproduktion, aber man konnte zu der Zeit offenbar sehr viel mehr Geld in Deutschland als in Österreich verdienen.

Sie baten um Asyl. Sie waren tatsächlich von Haustür zu Haustür gegangen und hatten die Klingelknöpfe nach Wohngemeinschaftsnamenlisten abgesucht und gefragt, ob es über den Sommer Platz gäbe. Wir konnten vier von ihnen Unterkunft gewähren, da zwei Zimmer urlaubsverwaist waren. Es blieben das Paar und die beiden Männer – kein Paar, aber eine Jungenfreundschaft. Einer von ihnen hieß Michael Glawogger und war mit den anderen aus Graz gekommen.

Zu Zeiten meiner Hannover Tage war ich wahrscheinlich dreimal die Woche im Kino und sammelte die Programmzeitschriften von Apollo- und Raschplatzkino, den Programmkino-Gründungshäusern des späteren Flebbe-Imperiums. Die diskutierten Michael und ich – er nach hartem Arbeitstag, ich nach sehr freiem Studentenalltag – auf meinem Bett liegend Film für Film durch. Er würde später nach San Francisco an die Filmschule gehen wollen. Soviel war schon klar. Selber hatte ich zu dieser Zeit noch nicht den Mut, mich zu Film in ein produktives Verhältnis zu setzen.

Im nächsten Sommer waren die beiden Männer wieder bei uns. Michael war inzwischen tatsächlich kurz in San Francisco gewesen, erzählte von Supermärkten, die man inmitten der Nacht besuchen konnte und wir machten mit der Wohngemeinschaft und den beiden Ösis einen Ausflug nach Hamburg, um den Abend in der FABRIK zu verbringen. Dann endete mein Kontakt zu Michael Glawogger.

Über den Film MIT VERLUST IST ZU RECHNEN von Ulrich Seidl, an dem Michael Glawogger mitgearbeitet hatte, nahm ich in den Neunzigern nach eigenem absolvierten Filmstudium Notiz von seinem Filmschaffen und rief ihn später an, um an alte Zeiten anzuknüpfen. Das gelang aber nicht.

Meine Fremdsprachenkenntnisse des Österreichischen beschränken sich seitdem auf:

Deöss iss a Sandler!
Deöss iss oarg!

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