Dienstag, 05.02.2002

So hart mußt Du sein

Kleine Nachlese zu zwei Festivals.
Triest: Wem Tarkowskij oder Sokurow noch zu nah an einem Frohnaturen-Kino ist, dem sei hiermit „A Place on Earth“ von Arthur Aristakisjan empfohlen. Mit heiligem Ernst schildert der Film den schließlich scheiternden Versuch einer Gruppe von „Dropouts“ mitten in Moskau in einem leerstehenden Haus einen „Tempel of Love“ zu gründen. Jesus-Figur inklusive. (Dieses Haus und diesen „Tempel“ hat es zwischen 1996 bis 1998 wohl tatsächlich gegeben. Der Regisseur hat laut Katalogangaben auch einige Zeit dort gelebt. Inzwischen gilt Aristakisjan als verschollen. Niemand weiß, wo er sich aufhält.) Klingt schlimm, ist es streckenweise auch. Allerdings entwickelt der Film eine cinematographische Materie, die mitunter Atemberaubend ist. Selbst die Handkamera-Sequenzen sind mit einer Präzision gefilmt, die nichts mit Dogma-Gefuchtel zu tun hat. Das Spiel der Darsteller oszilliert zwischen Eisensteinscher Typen- Stilisierung und Psycho-Drama. Sehr seltsam.
Göteborg: Sehr viele Filme, die offenbar unter sehr diffusen Kriterien zusammengestellt worden sind. Unter anderem gesehen: „Hundstage“ von Ulrich Seidel. (Gewinner des großen Jury-Preises in Venedig.) Was soll denn das sein? Unangeweht von jeder formalen Reflektion führt der Film (wie so viele Produktionen der letzten Jahre aus Östereich) in die „Abgründe der normalen Spießer-Welt“. Seidel bemerkte vor der Projektion des Films, daß der am Körper der Akteure sichtbare Schweiß echt und daß ihm das sehr wichtig gewesen sei. Dazu fiel mir nur die Antwort von John Ford auf die Frage ein, warum er so wenige Großaufnahmen mache: „Weil ich keine Nasenhaare auf einer 15-Meter-Leinwand sehen möchte.“
Dann ein paar Tage später doch noch ein Lichtblick: „Va Savoir“ von Rivette. Eine Geschichte, in der wieder einmal das Theater eine wichtige Rolle spielt. Mußte mich nach der Vorstellung im kleinen Kreis mit ein paar anderen Zuschauern streiten. Sie fanden den Film „altmodisch“ und seine „Aussage“, daß das Leben ein Spiel sei, banal. Rivettes Filme, auch „Va Savoir“, lassen sich wohl kaum auf eine Botschaft reduzieren. Und das Spielerische seiner Konstruktionen weist weniger auf das Leben selbst, als auf dessen Vermittlung durch den Film.

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