April 2004

Montag, 26.04.2004

Langtexthinweis

Drei Sequenzen aus „East Side, West Side“ – Über den Eröffnungs- und Abschlußfilm der Filmreihe „East Side – West Side. Schätze aus dem Filmarchiv des MoMa“ (9.5. bis 5.6., Kino Arsenal, Berlin).

Donnerstag, 22.04.2004

langtexthinweis

* Wie man das 21. Jahrhundert erzählt – Michael Girke zu Heinz Emigholzs neuem Buch Das Schwarze Schamquadrat

Mittwoch, 21.04.2004

fernseh hinweis…

… aus einem e-mail-wechsel zwischen michael girke und eckhard schumacher

Lieber Eckhard,
kaum lag der Hörer gestern auf der Gabel, fiel mir ein Filmtipp ein. Falls Du ihn noch nicht gesehen hast: Gus Van Sants „Elephant“, m E ein sehr mutiger Film, ein Stummfilm mit Tonspur, lohnt sehr den Besuch.

Lieber Michael,
ich habe Elephant bereits gesehen, im Original, und fand ihn auch sehr toll, auf der Tonspur, in den Bildern. Und nicht zuletzt auch, weil das, was in allen Feuilletons als so großartig hervorgehoben wird, ja gar nicht stimmt: der Film würde kein Motiv liefern. Warum erwähnt denn meines Wissens NIEMAND die Szene, in der der, der später Klavier spielt, mit widerlichem Papiersabber beworfen wird? Erst dadurch wird der Film für mich richtig gut: Er gibt Hinweise für mögliche Motive, lässt ihre tatsächliche Relevanz aber offen, macht, genau, keinen Elephanten daraus. Bin vor diesem Hintergrund ziemlich gespannt auf die Erfurtdoku, heute abend, 23 Uhr, ARD. [Amok in der Schule, Die Tat des Robert Steinhäuser“ Mittwoch, 21.4.04. – 23:00 Uhr – ARD]

Lieber Eckhard,
ja, ja, ja, ja…Elephant steckt über und über voll von Wahrnehmungen/Hinweisen Van Sants.
Wie im Stummfilm: Wenn in der Wohnung der beiden Schützen PC-Game gespielt wird, ganz, ganz kurz…und dann, Schnitt, ist man wieder im Schulflur, da ist bei mir vor Spannung jedes Körperhäärchen Filmzuschauer geworden. Denn: es ist gerade nicht, (wie’s aus Möchtegernelefantensicht vielleicht beliebt wäre), allesklärend festgestellt, PC-Spieler sehen ja mit den Augen von Serienmördern; nein, es ist nichts als eine von vielen Beobachtungen, die zu einer Diskussion dazugehören…vor allem aber bewegt sich ab da, vom Schnitt beabsichtigt, vorwärts und rückwärts durch den ganzen Film, so etwas wie ein Grusel vor dem eigenen Sehen…ich komme gleich darauf zurück.
Dann: Elephant ist wie Charlie Brown. Da gibt es Eltern nicht, genauer, nur als unverständliches Tröten; in Elephant gibt es sie nicht als Eltern (um den Trinkervater muss sich ja der Blonde kümmern, bei einem anderen packen Eltern ein Schulbrot und begründen, warum sie keine Zeit haben an diesem Tag, in dieser Woche, in diesem Jahr, in diesem Leben…). Was für eine Welt ist das…so ist der ganze Film einer über Orientierung. Und so hört man dann den Film, die Schule, den Raum…das ist unglaublich gut…wenn dann die angedeuteten Täter Nazis im TV sehen und deren Scheiße-Sein lässig, aber dabei ungeheuer sensibel, beobachten, da hab ich fast geheult (obwohl oder weil die Elephantinszenierung es überhaupt nicht auf so etwas angelegt)…weil der Film wie ein Windhauch flüsternd mitteilt, dass das da im TV „das Böse“, das wir/alle bei der Betrachtung des Films und überhaupt so verzweifelt Dingfest machen wollen, nicht ist; es ist nur ein Gespenst der Deutlichkeit, von dem, und damit von 99,5 Prozent von all dem zu Fragen von Gewalt-Eltern-Kinder-Schule-Medien Gesendeten, Van Sant einen notwendigen Abschied filmt.
Zum Blicken noch kurz: Ab dem oben erzählten Schnitt ist klar, die Kamerafahrten, die Wiesen, Flure, Zimmer, Büros, die Menschen, wir haben alles aus Gameeinstellungen gesehen. Das heißt einfach: nicht mit fertiger Psychologie, Jugend, Schule, Hysterie, Gesamtlage im Kopf, was uns sonst unsere Bilder vorauseilend inszeniert. Wenn das alles nicht da ist, was sehen wir dann noch von der Welt…weniger als jeder Serienmörder…wir sind drin im Game…der Mensch mit dem ich den Film sah, meinte, der Film fängt einfach an und hört einfach auf, das sei ja ein leerer Film…dessen Blick hat die Schüler genauso erledigt, wie die Gewehre der Jungs. Nicht gesehen: Das Weinen des Blonden, waren Filmtränen jemals aussagekräftiger (wenn der am Ende gestorben wäre, wäre ich mit gestorben; und damit die ganze Balance des Films; das weiß Van Sant natürlich). Die Gewehre der Jungs sind Verwandte dieser Tränen…sagt die Plazierung der Figuren im leeren Raum…auch das nur als Windhauch, wirklich Filmkunst, das alles. Nicht gesehen: ganz und gar nicht, niemals, sind die drei Schlankheitsgirlies banal; wenn die auf dem Klo erledigt werden, entscheidet sich, ob man den Film als ein Mensch sieht, oder, ob einem die Klischees oder die eigene Blindheit jede Sensibilität weggepustet haben. Auch das sage nicht ich, das legt der Film nahe.
Was mich endgültig einnimmt: Dieser Film ist engagiert, er ist auf jeder Schülerseite, was die Schützen selbstverständlich einbezieht. Danke Gus Van Sant.

*
Zärtlicher Zusatz:
Die Position der Figuren im leeren Raum habe ich eben gesagt. Wovon leer? Von liebenden Eltern/Erwachsenen/Menschen…von Zärtlichkeit und Mitgefühl…die einzigen Szenen, in denen es etwas davon gibt: wenn der Blonde von einer Mitschülerin im Vorbeigehen getröstet wird, und, ganz zentral, wenn die Täter sich küssen und streicheln unter der Dusche…Anti-„Psycho“-Duschszene…eine der Stellen im Film, von der aus gesehen, die Elephant-Welt so steril, so abtötend ist in ihrer Aufgeräumtheit. Sich in schönen, leichten, gleichgeschlechtlichen Berührungen und Küssen kurz findende, sensible Serienmörder; wenn ich diese Worte als Drehziel in einen Förderungsantrag für einen Film geschrieben hätte, würde mir ein Vogel gezeigt. DESWEGEN ist „Elephant“ kein Genre, deswegen artikuliert er so etwas stumm; auch um sich dem Kitschverdacht nicht auszusetzen…und es gelingt. Aber sind Bilder jemals stumm…für Van Sant nicht…dass am Ende das einzige klassische Liebespaar erschossen wird, nein, es wird bedroht, der Film endet…gleich sterben auch die Liebenden…das ist doch (bei allem Hauch, bei aller Balance) ein mit dem Vorschlaghammer gefilmtes „Bitte eingreifen, Bitte verhindern, Bitte hinsehen und Zustände ändern.“ Dass niemand nirgendwo über die vermisste und vorhandene Zärtlichkeit und Liebe in diesem Film spricht, macht, dass man die Realität als Teil von „Elephant“ empfinden kann.

TV-Hinweis, last minute

Mittwoch, 21.4., 23.15 h, WDR

Vladimir Günstig – eine trojanische Affäre
(Deutschland 2004, Regie: Hellmuth Costard)

Unglauben beim Blick in die Programmzeitschrift: Costard… 2004?!

Aufklärung dann im letzten Satz des Begleittexts: „Dies höchst eigenwillige Vermächtnis des ‚Filmrebellen‘ Costard (1.11.1940-12.6.2000) wurde nach seinem Tod in dessen Schnittcomputer gefunden.“

Dienstag, 13.04.2004

* Langtexthinweis

„Katastrophe und Kontingenz.“ Ein Gespräch über Gus van Sants Film „Elephant“, gekürzt erschienen in der Jungle World 16/2004.

Sonntag, 04.04.2004

Eustache

CINÉMA, the new magazine from Bernard Eisenschitz and Dominique Paini, two of the most enterprising and trailblazing figures in French movie culture, has taken the unprecedented step of including a free DVD of a restored film with each new issue. The latest will include JEAN EUSTACHE’s long unavailable final film, „Offre d’emploi““

[via Film Comment E-News]


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