Dienstag, 01.11.2005

viennale 05, notizen (1)

* Shen Nu (Wu Yonggang, China 1934, stumm, 76 Min.)
Ruan Lingyu. Bei the Goddess das Gesicht dieser Frau. Dieses Gesicht stellt der Film oft heraus, es ist aber nicht skulptural gestaltet, wie der Titel des Films es nahelegen könnte, der Film gestaltet dieses Gesicht und seine Trägerin eher im Bereich des Gestischen, also zum Lesen. Im Chinesischen braucht nur ein Buchstabe ausgetauscht werden, um aus der Göttin eine Hure zu machen, schreibt Bérénice Reynaud im Katalog der Viennale 2005. Davon handelt der Film. Über den Zwischentiteln eine nackte Frau, deren Hände gefesselt auf dem Rücken liegen. Sie beugt sich zum vor ihr liegenden Kleinkind. Es sind nur 9 Filme dieser Schauspielerin übrig geblieben. Die wurden in Wien gezeigt.

* Screen Tests – Reels 5, 7, 19, 20, 24 (Regie:Andy Warhol, USA 1963-66, stumm, ca. 250 Min.)
* The Chelsea Girls (Regie: Andy Warhol, USA 1966, 200 Min.)

Die Screentests von Warhol am anderen Tag, ihre Güte: sie machen einen irrsinnig. Sie sind allesamt stumm. Dennis Hopper, dennoch singend [1964, Reel 5, #1].
Baby Jane Holzer und ihr chewing gum stunt [1964, Reel 5, #8].
Lucinda Childs blickt an der Kamera vorbei. Lucinda Childs blickt links an der Kamera vorbei, dann wandert ihr Blick langsam nach rechts. Nach einer Minute ist er dort angekommen. Dann fällt eine Locke in ihr Gesicht, sie will sie wegpusten, die Locke aber fällt zurück, da nimmt sie ihre Hand zuhilfe. Dann setzt sich eine Stubenfliege auf ihre rechte Schulter. Dann fällt die Locke wieder in ihr Gesicht. Dann ist die Aufnahme zuende [1964; Reel 7,#7].
Mary Menkens kubistische Falten [1966, Reel 7,#9].
James Clairs Träne [1965, Reel 19,#8].
Baby Jane Holzer und ihr chewing gum stunt, sort of, revised edition [1965, Reel 20,#2].
Beim apfelessenden Lou Reed musste ich an Udo Lindenberg denken [1966, Reel 20, #5].
Kelly Edeys Adamsapfel in Untersicht [1963, Reel 20, #10].

Ein paar Tage später lese ich im Oktoberheft des Filmmuseums etwas, was mir gefällt, von Harry Tomicek zu „My Hustler“ (1965), über die Schwenks und Zooms, die die starren Einstellungen der früheren Filme Warhols ablösen: „Sie prallen so roh, ungeglättet und mechanisch auf den Seh- und Zeitsinn, als wäre hinter der Kamera ein Roboter zu L’art-brut-Dienstleistungen eingesetzt.“ „Chelsea Girls“ hatte ich da auch noch nicht gesehen. Aber später dann.

* Leaving Home, Coming Home. A Portrait of Robert Frank (Gerald Fox, GB 2004, 92 Min.)
* Kikyo (Hagiuda Koji, Japan 2004, 82 Min.)
* Invasion (Hugo Santiago, Argentinien 1969, 128 Min.)
* A Letter from Greenpoint (Jonas Mekas, USA 2004, 80 Min.)

Der Film zu Robert Frank ist sehr ärgerlich. Volker hat schon dazu geschrieben.
An „Kikyo“ habe ich kaum Erinnerungen. Es gibt einen Moment in dem Film, in dem zum ersten Mal Musik einsetzt, da sind der Mann und das Mädchen unterwegs und sanfte, lustige Kindermusik kommt jetzt aus dem Off.
Von „Invasion“ hatte mir CN schon in Berlin erzählt, und es stimmt: er ist sehr toll. Borges hat an dem Drehbuch mitgearbeitet. Wie der Film Schwerkraft und Dynamik zueinandergesellt müsste man ausführlicher bedenken.
Immer wieder mache ich mich auf, die Sachen von Jonas Mekas zu sehen, und immer wieder laufe ich frühzeitig aus dem Kino. Ich mag den Film seines Bruders, „Hallelujah the Hills“, sehr gerne.

* Le Petit Lieutenant (Xavier Beauvois, Frankreich 2005, 116 Minuten)
Xavier Beauvois kannte ich als Darsteller bei Garrel. Ich las im Katalog, Caroline Champetier habe die Kamera für diesen Film gemacht. Ein Polizeifilm. In Berlin, heute, hat Volker angerufen und erzählt von den Cahiers, die den Film jetzt hypen, retour à la fiction. Mir war beim Schauen eingefallen, dass das europäische Kino den Polizeifilm dem Fernsehen überlassen hatte; man schaut sowas deshalb inzwischen anders. Später war ich mir nicht mehr sicher darüber. Wie die Genrebestandteile, die alle intakt gelassen sind in dem Film, den Darstellern und ihren Körpern Kontur geben, nicht aber den Rhythmus des Films bestimmen. Die Blicke und ihre Geschichte. Man sollte so ein Kino nicht postklassisch nennen!

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