Juni 2005

Donnerstag, 30.06.2005

Kino-Hinweis

Vom 1. bis 6. Juli findet in Berlin die fünfte Französische Filmwoche statt: zwölf Produktionen aus den letzten zwei Jahren, darunter „Clean“ von Olivier Assayas. Ausserdem drei Filme von Arnaud Desplechin: als Eröffnungsfilm „Rois et reine“ (2004), zudem „Léo en jouant dans ‚La compagnie des hommes'“ (2003) und „Comment je me suis disputé (ma vie sexuelle“)“ (1998).

Alle Filme im Filmtheater am Friedrichshain und im Cinéma Paris, ein genaues Programm gibt’s hier.

Montag, 20.06.2005

Education sentimentale

Im Zug, irgendwo zwischen Osnabrück und Bünde. Eine Frau erzählt ihrem achtjährigen Sohn eine Szene aus einem Hitchcock-Film: „Stell dir vor: Eine Verfolgungsjagd im schottischen Hochmoor. Der Hauptdarsteller rettet sich in ein Schloss. Da ist es hell, die Leute sind sehr freundlich, und er beginnt, ihnen seine Geschichte zu erzählen. Zu Anfang des Films hat er eingeschärft bekommen, dass er den Bösen, den er sucht, daran erkennen wird, dass ihm zwei Glieder an einem Finger der rechten Hand fehlen. Und jetzt erzählt und erzählt er, und irgendwann fragt der Mann, dem er diese Geschichte erzählt: ‚Sind Sie sicher, dass es die rechte Hand ist?‘ In dem Moment ist in Großaufnahme seine linke Hand zu sehen, die nach einem Glas greift und an deren kleinem Finger genau die zwei Glieder fehlen… Das ist eine der gruseligsten Szenen, die ich kenne, obwohl es nicht dunkel ist, obwohl da nicht geschossen wird und gar nichts.“

Danach erklärt sie noch ganz beiläufig, was ein McGuffin ist.

Diese Art von Vermittlung, bei der ganz deutlich zu spüren war, dass da nicht nur ein Film erzählt wird, sondern was Erlebtes.

Freitag, 17.06.2005

Film-Hinweis

„They really didn’t want me to make the film. They enjoyed having us around but not to film. I was with my friend Danny and he had good connections for dope, much better than they had. And at one point I said to him nothing ever happens on these plane trips. It would be nice to have something happen.“ (Robert Frank)

Cocksucker Blues
USA 1972, 16mm, 90′

(Brotfabrik: 23.-29. Juni, jeweils 22h)

Nach SULLA

„Ich möchte nicht in die Welt, um den Leuten die Welt zu zeigen, ich möchte selber die Welt sein.“
Helge Schneider, Süddeutsche Zeitung, 04.06.2005

Könnte ein Verständnisschlüssel sein zu SULLA (2002) von Klaus Wyborny

Donnerstag, 16.06.2005

* Fußball im Fernsehen in Mexiko

Sonntag, 05.06.2005

„Was ich damals an Fejos lieben lernte: daß mit 38 bei ihm der Ton des Lebens noch weich war wie bei einem Jugendlichen und er sich von heute auf morgen gegen den Unterhaltungsfilm und für eine Hinwendung zur Realität entschied. Die Schlüsselszene wiederum, die für diese Wandlung steht, ist so plastisch, so zugespitzt, daß es mir immer vorkommt, als hätte sie sich nicht real ereignet, sondern ich hätte sie in einem Film gesehen:
Der Präsident der Nordisk-Film versuchte Fejos zu halten und sagte schließlich: ‚Gut, dann machen Sie Filme, wo Sie wollen, aber tun Sie’s für uns‘, und er führte den Regisseur in einen Nebenraum, wo an der Wand eine Weltkarte hing. Fejos kam genau vor Madagaskar zu stehen und sagte: ‚Das einzige Land, wo ich Filme machen möchte, ist Madagaskar.‘

Diese lehrreiche Anekdote sagt mir: die von Fejos ausgeübte Kraft zum Verneinen, dieser natürlichen Äußerung des immerfort sich verändernden, erneuernden, absterbend auflebenden menschlichen Kämpferorganismus haben wir immer, den Mut aber nicht, während doch Leben Verneinung ist, also Verneinung Bejahung.“

[Peter Nau: Ein Brief, in: Elisabeth Büttner (Hg.): Paul Fejos. Die Welt macht Film, Wien: verlag filmarchiv austria 2004, S. 176-177]

Donnerstag, 02.06.2005

Jägerbeine

In „Island of the Lost Souls“ (Erle C. Kenton, USA 1932), der gestern im Arsenal zu sehen war, spielt Charles Laughton den exilierten englischen Wissenschaftler Dr. Moreau, der seltsame Experimente mit Tieren veranstaltet, weil er Darwin eine Spur zu wörtlich interpretiert. Wichtiger als die evolutionsbiologische Hysterie – das Labor heißt nicht ohne Grund „House of Pain“ – und wissenschaftliche Meriten ist Dr. Moreau aber die Kultivierung eines spätkolonialen Stils, der selbst Colonel Walter E. Kurtz beeindruckt hätte. Dr. Moreau, stets im feinen weißen Anzug, nippt blasiert an seinem Tee und beantwortet skeptische Fragen mit ausgewählter Höflichkeit und minimalem Heben der Augenbrauen. Selbst die unermüdlichen Verschattungsbemühungen der Licht-Regie können ihn nicht diabolisieren, weshalb Laughton in der tollsten Szene des Films seinen eigentlich schweren Körper elegant auf den zu Folterzwecken umfunktionalisierten Operationstisch werfen kann und im Fallen aristokratischerweise die Beine übereinanderschlägt, als sei das eine Selbstverständlichkeit.

fernseh-hinweis

„Nichts wirkt als Antwort, was nicht vorher gefragt gewesen ist. Daher bleibt so viel Helles ungesehen, als wäre es nicht da.“ (Ernst Bloch in Erläuterungen zu Hegel) Wir, die Männer und Frauen des dritten Jahrtausends – das ist eine Formulierung des verstorbenen Papstes – wir sollten fragen, wann und wo der neue Lemke läuft.
„3 Minuten Heroes“ hat Premiere auf dem Münchner Filmfest. Zuvor aber zeigt der WDR eine Reihe mit alten und allerneuesten Lemkefilmen.
Am Montag, 6. Juni – 23:15 fängt es an mit „Amore“.

Rainer Knepperges


Claudia Grimm und Timo Jacobs, „3 Minuten Heroes“


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