Sonntag, 07.09.2008

Nicht vergessen: 500 Yen.

MADAMU TO NYÔBÔ (THE NEIGHBOUR’S WIFE AND MINE) von 1931 sei der erste japanische Tonfilm, kann man lesen. Aber die Töne und Geräusche kommen in dieser Komödie nicht als technischer Fortschritt und Qualität vor, auch nicht als angenehme Zerstreuung, sondern fast ausnahmslos als nervtötende Störung und Ablenkung. Ein Theaterautor muss in kurzer Zeit ein Stück fertigstellen, aber es sieht nicht danach aus, als würde er das schaffen. Zu Beginn liefert er sich mit einem Pleinair-Maler ein schönes Rededuell über ihre jeweiligen Künste. Welches Haus gefällt dir besser, fragt der Maler: dieses hier auf meiner Leinwand oder das da vorne, das zu mieten ist? Das da vorne natürlich, antwortet der Schriftsteller, und wie zum Beweis dafür (und weil es sich erzählerisch grad so ergibt) zieht er mit seiner Familie dort ein.

Den Maler könnte man für die Hauptfigur des Films halten, aber nach ein paar Gosho-Filmen ahnt man, dass eine Figur, der zu Beginn alle Aufmerksamkeit gehört, unter Umständen im weiteren Verlauf gar keine Rolle mehr spielen wird. (Das ist kein Mangel, sondern Ausweis einer demokratischen Auffassung von Dingen und Menschen, die nicht ohne weiteres in Haupt- und Nebensachen einzuteilen sind.)

Dieses Reihenhaus am Stadtrand, in dem sich die Bücher stapeln und die Gemälde provisorisch an die Regale gelehnt sind, ist voller Geräusche, an Arbeit ist kaum zu denken. Nachts, als er sich endlich an seinen Schreibtisch hockt, jaulen die Katzen draußen, und er jault zurück und krümmt den Rücken zu einem Buckel. Anstatt zu schlafen, schreien die Kinder, und am nächsten Morgen weckt ihn das Mädchen zuerst mit einem großen Wecker und dann mit einer Glocke, an der wie ein Preisschild ein mahnender Zettel mit der Aufschrift „Time is Money“ befestigt ist. Immer wieder verzieht der arme Mann das Gesicht vor Schmerzen und hält sich die Ohren zu. Als zentrale Geste in einem „ersten Tonfilm“ kommt mir das einigermaßen subversiv vor, selbst wenn der Film am Ende die etwa hastige Wendung nimmt, dass die im Nachbarhaus probende Jazz-Band mit dem Song „The Age of Speed“ seine Schreibblockade löst und wir ihn im Schlussbild mit Frau und Kind singend durch die Felder ziehen sehen.

[Weitere Filme von Gosho Heinosuke bis Ende September im Arsenal-Kino]

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