Juli 2008

Mittwoch, 30.07.2008

Absolutes Rauchverbot

Journalist: Do you go to the movies?
John Ford: No, never. Because you can’t smoke.

(Bertrand Tavernier, „Notes of a Press Attaché: John Ford in Paris“ (Positif, 82/1967), in Gerald Peary, Jenny Lefcourt, Hg., John Ford. Interviews. Jackson 2001)

Samstag, 26.07.2008

Kino-Hinweis

Die Frage, warum Winfried Günther, der im Allgemeinen nicht als glühender Verehrer der Filme Bob Rafelsons gilt, sich dessen ersten Film, HEAD (*), wie gemunkelt wird, in der 68er-Reihe des Filmmuseums Frankfurt gleich zweimal angeschaut hat, ist nicht leicht zu beantworten. Liegt es an der kristallklaren Kopie, die so schnell wahrscheinlich nicht wieder in Deutschland zu sehen sein wird? Oder am Cameo-Auftritt Frank Zappas? An den schwerelosen Sprüngen von der Brücke, bei denen zu allerhand Überblendungen der schöne Porpoise-Song zu hören ist, bevor kurz nach dem Eintritt ins Wasser die Farbtöpfe detonieren und die Meerjungfrauen sich mit geübtem Heckflossenschlag heranschlängeln? (Man sollte sich das im Kino angucken und nicht hier, aber gut…)

Im Arsenal-Kino läuft der Film am kommenden Mittwoch ein zweites Mal. An möglichen Antworten auf die oben gestellte Frage wird es nicht mangeln.

(*) „Rumors abound that the title was chosen in case a sequel was made. The advertisements would supposedly have read: ‚From the people who gave you HEAD.'“

Montag, 21.07.2008

First National – frühes amerikanisches Kino in einem deutschen Roman

„Das war also Burbank, dies die großen Ateliers der First National, alle noch neu, frisch gestrichen, vieles unfertig, manches überflüssig, je vier Ateliers in zwei Reihen, mit Verwaltungsgebäuden und Maschinenräumen ein Komplex von 25 Gebäuden auf einem Gelände, das eine Breite von 700, eine Tiefe von 1100 Metern aufwies. Auf diesem Gelände waren zwölf Regisseure, vierundzwanzig Operateure, fünfzig Hilfsregisseure, siebenundsiebzig Friseure, sechshundert Arbeiter, siebenhundertzwanzig Schauspieler und Komparsen, und eine Manuskriptschreiberin tätig. Hier konnten sechzehn Filme gedreht werden. Dreihunderttausend Kilometer betrug die Länge sämtlicher Filmstreifen, die die Firma im Luafe eines Jahres drehen, entwickeln, ansehen, schneiden und wieder wegwerfen ließ, deihundertausend Kilometer lang, in zwanzig Milliarden Bildchen, ief die menschliche Seele und ihr Abglanz um die Rollen der Apparate, und ein Lichtstrahl, der dies alles schuf, hätte genau eine Sekunde gebraucht, um an der gesamten Jahresproduktion der First National entlang zu spazieren. Auf Ewigkeitsaspekte durfte sich die Firma nicht einlassen. Um so offener stand ihr die Erde.“

(Arnolt Bronnen: Film und Leben. Barbara La Marr, Berlin 1928, S. 26)

http://de.wikipedia.org/wiki/First_National (21.7.2008):

Der First National Exhibitor’s Circuit entstand 1917 als Zusammenschluss 26 regionaler Verleihfirmen unter der Federführung von Thomas L. Tally. Ursprünglich war der Zweck der Firma, Filme zu finanzieren und anschließend den Verleih zu übernehmen, doch schon bald kam eine eigene Produktion hinzu. First National war eine Reaktion auf die marktbeherrschende Stellung von Paramount, die das Geschäft immer mehr monopolisierte (bezeichnenderweise wurde W.W. Hodkinson, der vom neuen Paramount-Eigner Adolph Zukor geschasst wurde, der Direktor der neuen Firma).
Der Plan ging ursprünglich gut auf. Mit der Anwerbung von Mary Pickford und Charlie Chaplin für jeweils eine Million Dollar pro Film hatte man die wichtigsten Stars auf seiner Seite und kontrollierte zudem 1919/1920 ca. 3400 Kinos, was 15 bis 20% des amerikanischen Marktes entsprach.
Da es aber nicht gelang, die Stars längerfristig zu binden (sie gründeten 1919 United Artists, mussten aber aufgrund der laufenden Verträge noch einige Filme gedreht werden, weshalb die Firma 1920 noch relativ gut dastand), und da auch die geplante Fusion mit Paramount spektakulär scheiterte, ging es mit First National rapide bergab. Paramount kaufte nach und nach die einzelnen zusammengeschlossenen Firmen auf, bis First National im September 1928 mit Warner Bros. fusionierte.

Freitag, 18.07.2008

Ein ganzer Film in einem Bild

Hiroshi Sugimotos Fotografien, die gerade in Berlin zu sehen sind, wirken auf den ersten Blick statuarisch und verdichten doch allesamt Zeit. Die Bilder von Wachsfiguren verwandeln sich zurück in die Gemälde, die diesen Puppen als Vorlagen dienten, und erwachen zugleich zu einem gespenstischen Leben, als ob sie Schnappschüsse wären. Lebloses, das zu leben beginnt, ist unheimlich, ist Kino. Kino ist das Thema in dem Zyklus „Theatres“ (1978–2001). Belichtet wurde jeweils für die Dauer eines Films. Der Kinosaal oder der Drive-in nimmt reiche Textur an wie die Pyramiden oder Dome auf den Fotografien des 19. Jahrhunderts, die Leinwand leuchtet. Die Verdichtung der Filmzeit ist Licht. „Different movies give different brightnesses. If it’s an optimistic story, I usually end up with a bright screen; if it’s a sad story, it’s a dark screen. Occult movie? Very dark.“

Screen Test # Will Ferrell

I’m working on a great Lynne Cheney (hier mit Wolf Blitzer)

Dienstag, 15.07.2008

18/100

Die Geschichte von der ehemals im Filmsegment gut sortierten Buchhandlung, die diesmal zwar nur noch eine Handvoll Filmbücher bereithielt, dafür aber mit drei zum Abverkauf herabgesetzten Bänden zu überraschen wusste, deren Titel – „Chemischer Angriff auf Beton“ (Schriftenreihe der Zementindustrie, Heft 53/1992; möglicherweise ein Polit-Thriller), „Bluten von Frischbeton“ (Schriftenreihe des Bundesverbandes der Deutschen Transportbetonindustrie, Band 9; unter Umständen eine Anthologie mit Horrorerzählungen) und „Zum Verhalten des jungen Betons unter zentrischem Zwang beim Abfließen der Hydratationswärme“ (Schriftenreihe der Zementindustrie, Heft 59/1998; wahrscheinlich ein Erziehungstraktat oder ein Bildungsroman) – höchst vielversprechend klangen und eine suggestive Reihe bildeten, die vom etwas prosaischer betitelten, allerdings mit einem idyllischen Umschlagfoto verzierten Band namens „Radwege aus Beton“ würdig abgeschlossen wurde.

Freitag, 11.07.2008

Errata

Wer den Text über die Filme der DZIGA-VERTOV-Gruppe in einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift „film-dienst“ gelesen hat, wird sich die Sache folgendermaßen vorstellen:

Anfang 1968 zieht Jean-Luc Godard in die Schweiz. *** Als es in Paris brenzlig wird – „Anzeichen für eine Entladung des sozialen und intellektuellen Unmuts“, gemeint ist wohl das Frühjahr 1968 – reist Godard nach London, um die Rolling Stones bei den Proben im Aufnahmestudio aufzunehmen. *** Dann ist das Festival von Cannes. *** Godard gründet die DZIGA-VERTOV-Gruppe und macht von nun an Filme unter diesem Namen. *** Was die Autorschaft dieser Filme angeht, so ist es unklar, wer außer Godard an ihnen beteiligt war. *** Nein, „[b]ei genauerem Hinsehen“ merkt man, dass die DZIGA-VERTOV-Gruppe „im Wesentlichen aus Jean-Luc Godard und seiner Lebensgefährtin Anne-Marie Miéville besteht“. *** Der Film PRAVDA von 1969 ist zu kritisieren, weil Godard das in der CSSR aufgenommene Material im Schneideraum „von der komfortablen Schweiz“ aus montiert. *** 1974 dreht Godard das „Meisterwerk“ TOUT VA BIEN.

Undsoweiter.

Möglicherweise hat Claus Löser (dessen Arbeit ich gemeinhin schätze, darum geht es nicht) spektakuläre neue Dokumente gefunden, die all das belegen. Wenn ja – sein Text erwähnt allerdings nichts Derartiges –, dann ziehe ich meinen Beitrag zurück und freue mich darauf, seine Recherchefunde kennenzulernen. Wahrscheinlicher aber scheint mir, dass das oben Aufgezählte zur folgenden Gegendarstellung Anlass gibt:

Keineswegs zieht Godard 1968 in die Schweiz (das tut er 1977 oder 1978). Zwischen 1968 und 1972 ist er fast ununterbrochen unterwegs in Europa, dem Nahen Osten und den USA. 1972 verlegt er seinen Wohnort nach Grenoble. *** Die Rolling Stones filmt Godard im Juli/August 1968, zwei Monate nach dem Festival von Cannes. In welchem Bezug die Reise nach London zu den Anzeichen für eine Entladung des sozialen und intellektuellen Unmuts stehen soll, ist mir nicht klar. Ebensowenig weiß ich, für wen diese Reise „überraschend“ war. Für Godard? Für seine Frau Anne Wiazemsky? Für Claus Löser? *** Die Gründung der DZIGA VERTOV-Gruppe, wenn man denn von einer Gründung sprechen will, findet irgendwann im Laufe des Jahres 1969 statt; einige frühere Filme wurden im Nachhinein „adoptiert“; ohnehin ist „Autorschaft“ in diesem Fall eine Frage der Zuschreibung, denn einen Vor- oder Abspann, der die Gruppe nennt, gibt es nicht. (Es gibt allerdings eine sehr umfassende und verlässliche Filmographie von David Faroult.) *** Man weiß sehr wohl (und kann das schon im Reihe Hanser-Band von 1979 nachlesen), wer zur DZIGA VERTOV-Gruppe gehörte (federführend neben Godard zunächst Jean-Henri Roger, dann, ab VENT D’EST Jean-Pierre Gorin). *** Ich wüsste nicht, wo man „genauer hinsehen“ müsste, um zu erkennen, dass Anne-Marie Miéville, mit der Godard ab dem nicht realisierten Projekt MOI JE (1973) zusammenarbeitet, an den Filmen der DZIGA VERTOV-Gruppe maßgeblich beteiligt gewesen wäre. Im Gegenteil: Man müsste an allen denkbaren Stellen besonders ungenau hinsehen, um auf diesen Gedanken zu kommen. *** TOUT VA BIEN wurde im Januar / Februar 1972 gedreht und hatte Anfang April des gleichen Jahres seine Premiere.

Undsofort.

Ich will nicht auf die sprachlichen Merkwürdigkeiten eines Texts eingehen, der damit beginnt, dass jemand in die „’innere Emigration’ in der Schweiz“ geht (was nun: geht er in die innere Emigration oder geht er in die Schweiz?) und damit einen öffentlichen Rückzug einleitet, den ich mir allenfalls als einen Rückzug aus der Öffentlichkeit vorstellen kann. Ich will eigentlich überhaupt nicht über diesen Text sprechen, weil alles, was man über ihn sagt, den Beigeschmack von Herablassung und – weil man es besser weiß – Besserwisserei haben muss. Andererseits wäre es ein Missverständnis, den Hinweis auf Selbstverständlichkeiten, die fern von jedem Geheimwissen liegen, sondern immer wieder in Texten über Godard zu lesen waren, als Arroganz auszulegen. Was mich ratlos macht, ist eher die Frage, wie ein Text zum Abdruck kommt, der seinen Gegenstand so wenig ernst nimmt, aber aus haltlosen Fehlinformationen Spekulationen ableitet, die im Tonfall des selbstsicheren Urteils daherkommen.

Ein guter Freund, dem ich von meiner Mut- und Ratlosigkeit berichtete, wie (und ob überhaupt) auf das Falsche richtig zu reagieren sei, sagte mir, ich solle es jedenfalls nicht einfach ignorieren; sonst strenge sich doch bald niemand mehr an.

***

[Die Filme des GROUPE DZIGA VERTOV sind noch bis zum 24.7. im Berliner arsenal zu sehen, darunter der burleske VLADIMIR ET ROSA, der lehrstückhafte TOUT VA BIEN, der analytische LETTER TO JANE und der hochreflexive ICI ET AILLEURS. Wer nicht in Berlin wohnt, dafür aber Französisch oder Spanisch spricht, hat seit kurzem die Möglichkeit, die Filme der DZIGA VERTOV-Gruppe – incl. dem knapp einminütigen Werbeclip für das After Shave „Schick“ – auf DVD zu kaufen.]

Mittwoch, 09.07.2008

Bruce Conner, 18. November 1933 – 7. Juli 2008

conner.jpg

[Take the 5:10 to Dreamland (1977)]

Freitag, 04.07.2008

Zwei Tragödien in je einem Satz

Ein Vagabund verliebt sich in die Frau eines fetten Spießers, den er umbringt, nur um festzustellen, dass er ihn geheiratet hat. („Ossessione“)
Ein Mann will Cash in einer bargeldlosen Welt. („Point Blank“)
à suivre


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